„Neuwahlen“ ist das Wort der Stunde: Alle sprechen darüber, manche fordern sie offen - auch Politiker, die sich einer Regierungsbeteiligung verweigern, wie Wahlverlierer Martin Schulz, der damit aber keineswegs alleine ist. Jamaika-Aussteiger Christian Lindner hält sie für „unproblematisch“, Jürgen Trittin möchte damit den Grünen zu Ostern ein paar Stimmen mehr ins Nest legen, Angela Merkel kündigt schon ihre abermalige Kandidatur an, Linke und AfD können es kaum erwarten. In Deutschland regiert seit gestern eine ganz große Koalition der Verantwortungslosigkeit. Aber angesichts einer keineswegs dramatischen Ausgangslage nach der Wahl, die jetzt von (Partei-)Egoismen künstlich dramatisiert wird, ist die Forderung nach Neuwahlen ein Zeichen politischer Dekadenz und den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber eine Unverschämtheit. Denn damit wird die Verantwortung für eine nur scheinbar unauflösbare Situation von kompromissunfähigen Politikern abgeschoben auf die Wählerinnen und Wähler, die sich doch gerade erst entschieden hatten. Ihnen wird mitgeteilt: Macht’s gefälligst beim nächsten Mal besser.
Genauso einhellig, wie Neuwahlen als Lösung geradezu herbeigesehnt werden, lehnt die Politik eine Minderheitsregierung ab mit dem absurden Argument, das würde „nicht zu Deutschland passen“.