Jede Menge politische Post gibt’s heute im Checkpoint zu verarbeiten, und ich verspreche: Manches davon ist wirklich zum Wiehern.Vergessen wir für einen Moment den Brexit, die drohende Wirtschaftskrise, die Spaltung der Gesellschaft, die Zersplitterung der Parteienlandschaft, den aufblühenden Extremismus, vergessen wir auch den Niedergang der ruhmreichen SPD, die Gesicht gewordene Verzweiflung ihrer Funktionäre – und schauen nach, was die Politik gerade wirklich beschäftigt…Beginnen wir also im Bundestag, beginnen wir mit der „Einladung zum Gründungstreffen des Parlamentskreises Pferd“. Klingt verrückt? Ist aber echt, per Hand unterzeichnet von den Abgeordneten Alois Gerig (CSU), Pascal Kober (FDP), Dieter Stier (CDU – und von Andrea Nahles, der Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Nachdem die größten sozialpolitischen Herausforderungen gemeistert sind, geht’s jetzt endlich um die wirklich wichtigen Themen. Und was wäre wichtiger als: das Pferd?Aber lesen wir doch einfach mal rein…„Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie kein anderes Tier hat das Pferd den Menschen beeinflusst: Über 5000 Jahre prägte das Pferd Fortbewegung und Transport, Landwirtschaft und Militär. Auch heute noch ist er ein treuer Begleiter des Menschen. Für über 1,6 Millionen Reiterinnen und Reiter jeden Alters ist es Partner in der Freizeit oder im Sport, mehr als 300.000 Personen verdienen ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt mit dem Pferd. Das Pferd ist ein wichtiger Faktor für viele landwirtschaftliche Betriebe und pflegt Kulturlandschaften. Es bildet eine Brücke zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Die Bedeutung des Pferdes in der Therapie und in der Bildung ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen.“
„Mit der Gründung des Parlamentskreises Pferd wollen wir der großen Bedeutung des Pferdes als Freizeitbegleiter, Partner im Sport, als Wirtschaftsfaktor und als Kulturgut Rechnung tragen.“„Unser Parlamentskreis hat das Ziel, fraktionsübergreifend im Kreis pferdeinteressierter Kolleginnen und Kollegen über aktuelle Themen zum Pferd und aus der Pferdewelt zu informieren und diese mit Gästen aus der Praxis und Wissenschaft zu diskutieren.“„Unser Kreis richtet sich ausdrücklich nicht nur an Fachleute, sondern an alle, die an Themen rund um das Pferd Freude und Interesse haben. Wir laden Sie herzlich zum Gründungstreffen des Parlamentskreises Pferd ein (20. November 2018, 12.30 bis 13.30 Uhr, PLH E.200). Ehrengast und Redner ist Stefan Aust, Herausgeber der Welt.“Tja, das Glück der Erde ist eben nicht mehr im „Sparverein Roter Wedding“ zu finden, sondern – Sie wissen schon. Aber bitte auch an die Indianer-Weisheit der Lakota denken: „Steig vom Pferd, wenn Du merkst, dass es unter Dir stirbt.“ Wie auch immer das zu verstehen ist, also politisch.
Die Sozialdemokraten unter den Pferdefreunden können übrigens auch schon vor der Kreisgründung einen gemeinsamen Ausritt planen und zu „Europas größtem Innovationskongress“ traben – Vorreiterin Nahles lud ihre demoralisierten Genossen nämlich gleich am Tag nach dem Bayerndebakel fröhlich und per Mail zum „Debattencamp“ ein (10./11. Nov. im Funkhaus Berlin) – wir lesen: „Spannende Diskussionen und neue Ideen - 50 Sessions, 3 Stages, 60 Speakers und eine große Party am Samstagabend! Klicke auf den Button und erfahre, was Dich erwartet! Wir haben viel vor. Und Lust auf Morgen. Du auch? Sichere Dir jetzt Dein Ticket!“ Wird sicher lustig – die SPD hat ja Humor…
… und sie zieht mit der neuen Zeit: Inzwischen gibt es mehr als doppelt so viele Pferde wie SPD-Mitglieder (1 Mio zu 449.870), darauf muss die Parteispitze natürlich diskursiv reagieren. Um finanziell über die Hürden zu kommen, wird allerdings noch traditionell geworben – per Spendenbrief. Die Europa-Kandidaten Katarina Barley und Udo Bullmann teilen mit: „Die konservativen Parteien bekommen aus der Wirtschaft viel Geld für den Wahlkampf. Deswegen brauchen wir Deine Spende, um dagegenzuhalten.“ Da werden sich die Parteifreunde ja kaum im Zaum halten können.
Soweit dazu. Aber wie schaffen wir jetzt ohne Missverständnis den Sprung zum nächsten Thema… Ach egal, fangen wir einfach an: Immer mehr Checkpoint-Leser berichten von katastrophalen Wartezeiten auf Sterbeurkunden (CP v. gestern) – vor allem in Steglitz-Zehlendorf. Bei vier Wochen waren wir gestern, heute werden sechs Wochen, ja in einem Fall sogar acht Wochen gemeldet, und: „Kein Kontakt zu Mitarbeitern des Amtes möglich.“ Ähnlich sieht’s in Spandau aus, ein Testamentsvollstrecker schreibt von ebenfalls acht Wochen Wartezeit und zitiert die Mitarbeiterin eines Bestattungsunternehmens so: „Warum musste die denn auch ausgerechnet hier sterben?“
Die Berliner Slapstick-Variante von „Oceans Eleven“ kommt vor Gericht (in den Hauptrollen: die Brüder R., R. und R.) – beim Raub der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bode-Museum ging auf allen Seiten so ziemlich alles schief: Das Museum selbst wurde von einem korrumpierten Wachmann und einem offenen Dachfenster übertölpelt; die Täter ließen die Münze aus ihrer Schubkarre kippen und brachten so die Polizei auf ihre Spur; der Ermittlungsrichter konnte nicht bis drei zählen („keine Bandenkriminalität“) und entließ die Verdächtigen aus der U-Haft; das sichergestellte Tatfahrzeug wurde auf einem Polizeigelände zur Spurenvernichtung mit Löschschaum bearbeitet. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass der Goldzahn des Staatsanwalts aus der eingeschmolzenen Beute gefertigt wurde.
Berliner Schnuppen

Telegramm
„Achtung!!! Leitungswasser bitte nicht als Trinkwasser nutzen“, warnen Schilder auf allen Türen der Toiletten, Duschen und Teeküchen sowie neben Waschbecken in einer Polizeiwache in Venezuela… ach ne: Das ist ja am SEK-Standort Augustaplatz (Steglitz) – mehrere Beamte hatten über Übelkeit und Erbrechen geklagt. Das einzige, was hier noch läuft (oder besser: tröpfelt), ist die Prüfung einer Prüfung.
Die für heute auf der Schönhauser Allee geplante Eröffnung des ersten „Parklets“ (auf Deutsch: schweineteure massive Riesenholzbank mit eingebauter nächtlicher Ruhestörung) wurde verschoben – aus „organisatorischen Gründen“ (auf Deutsch: Fehlplanung mindestens des Termins).
Auch in der Bergmannstraße sind die Anwohner nicht so begeistert über die ersten Parklets wie die Bezirkspolitik – viele wünschen sich mehr grün, mehr Sauberkeit, mehr Beruhigung. Mein Kollege Felix Hackenbruch berichtet über die klassischen Konsequenzen der Umfrage: „Am Mittwoch reagierte der Bezirk und ließ ein neues Parklet-Modul errichten.“
So, wir kommen zur Aufgabe für Berlin-Kenner (auch geeignet für die Zusatzausbildung „Mathe lernen mit dem Checkpoint“): 131 Schulen haben keine komplette Leitung. Die Bildungsverwaltung will diese offenen Stellen dringend besetzen. Es gibt viele interessierte Lehrer, die einen dieser Jobs übernehmen wollen, aber davor müssen sie einen Kurs des Landesinstituts für Schulen besuchen. Frage: Wie lang ist die Wartezeit auf einen solchen Kursplatz? Richtig: Zwei Jahre (Lösungsweg: 131 geteilt durch 131 mal 2). (Q: Susanne Vieth-Entus im Tagesspiegel).
Liste der Vergehen und Straftaten, die Schülern der Polizeiakademie Ruhleben in den vergangenen sechs Monaten zur Last gelegt wurden: Trunkenheit im Straßenverkehr, Fahren ohne Führerschein, Fahrerflucht, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Körperverletzung, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, fahrlässige Brandstiftung, Diebstahl… irgendwas vergessen? Ach ja: Nachstellung (Q: „B.Z.“). Könnte als Befähigung vielleicht später aber noch mal nützlich werden. Es kommentiert Gerhard Seyfried: „Pop! Stolizei! Äh… Stei! Polizop! Nein, öh… Stop! Poliz… - Weg isser.“
Es gibt ja eigentlich nichts, wozu es keine Statistik gibt – z.B. einen Städtevergleich über gesplitterte Smartphone-Displays. Wollen Sie mal raten? Na klar, Berlin ist spitze (prozentual gemessen an der Einwohnerzahl). Tja, so sieht’s aus: Im Wilden Westen sitzt den Leuten der Colt locker, in Berlin das Handy – oder werden wir hier etwa mit dünnerem Glas beliefert?
Oha, Viehdiebstahl in Wittenau: Aus dem Vorgarten des Hauses „Am Kesselpfuhl 7“ wurde eine lebensgroße Glasfaserkuh geklaut – sie hört auf den Namen „Lisa“ und wird von ihrer Schwester „Mona“ ganz doll vermisst. Hat jedenfalls die Investigativ-Redaktion der „Berliner Woche“ herausgefunden.
Und hier noch eine Warnung für die Hipster-Bezirke Mitte, Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln: Heute ist der internationale „Ohne-Bart-Tag“.
So, und falls Sie noch ein bisschen Zeit haben, könnten Sie z.B. heute Ihr Votum für den „Deutschen Engagement-Preis“ abgeben (geht auch noch bis zum 22. Oktober). Und da ein bisschen Lokalpatriotismus nicht schadet: Allein aus Berlin sind 27 Initiativen nominiert, darunter die Aktion „Nachschicht“, mit der wir kooperieren. Alle Projekte werden hier auf dieser Website vorgestellt, und zu gewinnen gibt’s auch noch was.
War’s das… Nein, nicht ganz: So viele vermeintliche Gewissheiten wurden in den vergangenen Jahren schon kassiert – und jetzt auch noch das: „Die Pusteblume ist eine Saugblume“ (Q: „Nature“). Hust. Nicht dass sich auch noch herausstellt, dass der BER eigentlich ein Flughafen ist.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Für uns hat das Konzept fast revolutionären Charakter.“
Ulf Melchert, Vorsitzender des Personalrats der Justiz, freut sich darüber, dass die Gerichtseingänge jetzt zur Sicherheit „Personenvereinzelungsanlagen“ bekommen – und die Wachleute mit Pfefferspray ausgestattet werden.
Tweet des Tages
„In jedem zehnten Bus sollen Berliner bald kostenlos surfen können.“ Super – könnt Ihr Schilder außen dranmachen, liebe BVG? Wenn sich der M29 mal wieder aufreiht, weiß man dann gleich, welchen man nehmen muss.“
Stadtleben
Essen Südlich vom Görlitzer Park gelegen - das ist für manche Nordberliner schon fast Toskana - bietet die Treptower Klause in der Karl-Kunger-Straße 69 ein klein aber fein zusammengestelltes Menü mit tendenziell deftiger Kost – aber nicht nur. Der Koch, gebürtiger Berliner, aber in Österreich bei Sternekoch Franz Raneburger ausgebildet, spiegelt den entsprechenden Ausschnitt des Längengrads auch in der Speisekarte und bietet berlinerisch-süddeutsch-österreichische Küche mit italienischer Note: als Vorspeisen etwa Obatzda mit Rettichsalat und Laugenbrez’n oder die Tomatensuppe mit kleinem Arancino für je 6,50 Euro. Hauptspeisen reichen von Käsespätzle für 9,50 Euro über den hausgebeizten Lachs mit Bratkartoffeln, Honig-Senfsauce und Salat für 19,50 Euro zu den lauwarmen Scheiben vom argentinischen Roastbeef mit Bratkartoffeln und Meerrettichcreme für 19,50 Euro. Mi-Sa 18-22 Uhr, So 17-21.30 Uhr, Bus 194 Lohmühlenstraße
Trinken Wer die dramatischen Schlussszenen der unter Zwang geschlossenen Bar Babette in der Karl-Marx-Allee verpasst hat und sich deswegen jetzt ärgert, kann seinen Kummer einfach am neuen Standort herunterspülen. Die Bar ist allerdings jetzt ein Café und heißt entsprechend Café Kosmetiksalon Babette. Aus ihrem gläsernen Terrarium in der Karl-Marx-Allee entlassen, bildet sie fortan mit Mitbewohnern SchwuZ und Vollgutlager die Kindl-Brauerei-WG. Mi-So wird künftig von 11 bis 19 Uhr geöffnet sein. Heute Abend um 20 Uhr findet die Eröffnung mit Soul Slides (live) und VJ Ultramodern statt. Am Sudhaus 3, U-Bhf Boddinstraße
Geschenk Homers „Odyssee“, Vergils „Orpheus und Eurydike“, Dantes „Göttliche Komödie“, Shakespeares „Sommernachtstraum“. Beim Lesen dieser Aufzählung fällt einem sicherlich noch manch weiteres Beispiel ein – wahrscheinlich aber nicht dieses: „Die vier Träume aus Linchuan“, geschrieben von Tang Xianzu (1550-1616). Den Dramenzyklus und Klassiker der Kun-Oper zählt die UNESCO zu den „Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“. Seine Aufführung im Haus der Berliner Festspiele bietet die seltene Gelegenheit, den Tellerrand eurozentrischer Geschichte hinter sich zu lassen, ohne dafür gleich das Land verlassen zu müssen. Das Werk besteht aus vier Teilen, die je nur einmal aufgeführt werden – Samstag 1. und Sonntag 2. Dezember, je 14 und 19.30 Uhr. Der Vorverkauf ist bereits im Gange. Jeder Teil der Tetralogie kostet zwischen 15 und 35 Euro. Schaperstraße 24, U-Bhf Spichernstraße