Heute geht es u.a. um Sex, genauer gesagt: um Sex und Politik, und noch genauer: um Gruppensex, den eine Wissenschaftlerin der FU anbahnen möchte, eine Mitarbeiterin der Umweltverwaltung aber zu verhüten trachtet. Auch zwei Staatssekretäre sind in die Affäre verwickelt, das Lageso mischt ebenfalls mit. Ein Berliner Drama in mehreren Akten, das mit Vögeln zu tun hat. Mehr dazu gleich, jetzt aber erstmal ein kurzer Nachrichtenüberblick:
„Schulz wählt Merkel“ (Q: „BamS“) - und zwar am Mittwoch im Bundestag zur Kanzlerin +++ Im Fall einer mit mehr als 20 Messerstichen getöteten 14-Jährigen hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen – es ist ein 15 Jahre alter Schüler, der die Tat gestanden hat +++ Nach einem Brandanschlag auf die Koca-Sinan-Moschee ermittelt der Staatsschutz – gesucht werden drei Männer, die vom Tatort davongerannt sind +++ Berlin bekommt 100 neue Trinkbrunnen, von allen Fraktionen ist nur die FDP dagegen (Q: „Morgenpost“) – vielleicht, weil dort kein Schampus, sondern nur Wasser fließt +++ Die Reinickendorferin Heike Flach berichtet der „B.Z.“ (S. 17): „In meinen Pflanzen spuken Geister“ – wenn sie ihren Kaktus fotografiert, sieht sie auf den Bildern die Gesichter von Toten +++ Trainer Pal Dardai nach Herthas ödem 0:0 gegen Freiburg im halbleeren Olympiastadion: „Wir haben richtig gut gespielt“.
Und nun zum Sex: Im Mittelpunkt steht Dr. Daniela Vallentin, Emmy-Noether-Stipendiatin an der FU (Abteilung Verhaltensbiologie, Leitung: Prof. Constance Scharff) und eine der Antragstellerinnen des Clusterantrags „NeuroCure 3“ in der Exzellenzstrategie. Für ein Forschungsprojekt mit Nachtigallen hat die Wissenschaftlerin eine ERC-Förderung in Millionenhöhe eingeworben („Starting Grant“, 1,5 Mio), sie ist also gewissermaßen die personalisierte Standort-Hoffnung des Regierenden Wissenschaftssenators Michael Müller. Doch jetzt droht diese Berliner Karriere an grüner Prüdokratie zu scheitern.
Dr. Vallentin hatte am 26.7.17 beantragt, max. 10 Nachtigallen pro Jahr aus Gehegen in Berliner Parks entnehmen und ihnen vorübergehend Elektrode einpflanzen zu dürfen – sie erhofft sich von der Untersuchung einzelner Nervenzellen bei der gesanglichen Kommunikation Erkenntnisse zum besseren Verständnis von Autismus bei Kindern. Am 9.11.17 lehnte die von den Grünen geführte Umweltverwaltung den Antrag ab: Solche Versuche erlaubt das Lageso nur bei Zuchttieren. Um das renommierte Projekt zu retten, forcierte die Wissenschaftlerin nun den Aufbau einer eigenen Zucht: Drei weibliche Vögelchen hatte sie bereits erworben, als sie per Mail darum bat, diese zum Zweck der Fortpflanzung mit freifliegenden männlichen Fliegenschnäppern verkuppeln zu dürfen – doch wieder lehnte die grüne Verwaltung ab: Erst müsse der schriftliche Nachweis erbracht sein, dass es in ganz Deutschland keinen einzigen Züchter gibt, der gerade paarungsbereite Nachtigalleriche verleiht oder verkauft.
Die Forscherin begab sich wieder auf die Suche, vergeblich. Nur ein einziger Händler stellte Tiere in Aussicht, ohne Garantie und erst für den Herbst – zu spät: Ende April beginnt die Brutzeit, es droht der Verlust der EU-Förderung. Am 28.2.18 legte Vallentin der Umweltverwaltung darüber einen 80 Seiten starken Bericht vor, verbunden mit der Bitte, jetzt drei Nachtigall-Männchen zur Befruchtung von drei Nachtigall-Weibchen aus der Natur entnehmen und nach dem Akt dorthin wieder entlassen zu dürfen. Die Antwort: Dafür muss erst ein vollständiger Neuantrag eingereicht werden, weil die Entnahme von drei Tieren zur Zucht vom Erstantrag abweicht. Eine Genehmigung vor Ende der Brutzeit ist somit nicht mehr zu erwarten.
Der Fall des Scientus interruptus zieht sich inzwischen über sieben Monate hin und füllt mehrere Aktenordner. Dutzende Mails wurden deswegen versandt, mehrmals haben die Staatssekretäre Steffen Krach (Wissenschaft) und Stefan Tidow (Umwelt) darüber gesprochen. Es geht um die Frage, ob drei freifliegende Nachtigallen mit drei anderen Nachtigallen Sex haben dürfen. Kein Küken aus der Zucht wird gequält oder getötet, es wird nicht die x-te neue Gesichtscreme getestet, sondern der Hintergrund einer menschlichen Erkrankung erforscht. Aber ein grüner Staatssekretär bläst lieber einem Leuchtturmprojekt der Wissenschaftslandschaft von Michael Müller das Licht aus, als drei Vögel miteinander vögeln zu lassen (und das in Berlin). Unis anderer Städte freuen sich schon: Die Förderung ist an die Person gebunden, nicht an die Institution.
Was in Berlin dagegen leuchtet, ja geradezu strahlt, ist das Gendersternchen – soeben wieder in einer Mitteilung des Bezirksamts Mitte zum Start der Jury für die Bestimmung diskriminierender Werbung: „Der Frauenbeirat Mitte hat die Kriterien ergänzt. Diese lauten: Geschlechterdiskriminierende Werbung (sexistische Werbung) liegt insbesondere vor, wenn: Frauen* und/oder Männer* auf abwertende Weise dargestellt werden.“ Frauen*? Männer*? Ja klar, „Frauen“ und „Männer“ sind in Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain keine biologische Wahrheit, sondern ein soziales Konstrukt, deswegen gibt’s die hier nur mit *. Aber warum heißt es nicht einfach „… wenn Menschen…“? Und warum nennt der Frauenbeirat sich „Frauenbeirat“, obwohl es doch eigentlich „Frauen*beirat“ heißen müsste? (Anfrage läuft; war wohl nicht so schnell zu klären. Übrigens: Morgen entscheidet der BGH darüber, ob die Banken auf ihren Formularen neben Kunden auch Kundinnen adressieren müssen).
Unterdessen hatte die Jury auch schon ihren ersten Fall: Eine Bürgerin erregt sich über die „Dildoking“-Werbung, weil das Kronen-Logo der Firma aus einer penisartigen Zeichnung besteht. Die Entscheidung: Nicht sexistisch nach den Kriterien des Bezirks – die Jury-Koordinatorin und Gleichstellungsbeauftragte Kerstin Drobick hält das Signet für „relativ abstrakt“ sowie für „logisch und schlüssig“. Hinweis für Neuberliner: Hier hat man eben schon mal einen Dildo in der Krone (Q: „Berliner Woche“). Jury-Besetzung und Kriterien finden Sie hier, ein Beschwerdeformular hier, das „Dildoking“-Logo hier - und mehr aus Mitte gibt’s hier im „Leute“-Newsletter von Laura Hofmann.
In einem Tweet nennt die Gewerkschaft der Polizei arabischstämmige Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die am ITB-Israelstand rumpöbelten, „politisch aufgewühlte Männer“ – GdP-Sprecher Benjamin Jendro stellt jetzt klar: „Sie sind natürlich nicht politisch aufgewühlt, es sind Antisemiten. Wir haben die provokanten Worte bewusst gewählt, um endlich einen offenen Diskurs darüber zu führen, dass offen ausgelebter Antisemitismus in unserem Land nicht nur von Neonazis praktiziert wird. Eine verheerende Entwicklung, der wir demokratisch denkenden Menschen uns mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gemeinsam entgegenstellen sollten, auch mit Satire.“ Und Ironie.
Telegramm
Kleines Mitbringsel aus Übersee: „New York hat neuerdings eine Nachtbürgermeisterin“ – in Berlin wären wir ja schon froh, wenn wir tagsüber eine hätten.
Aus der Reihe „Mathe mit dem Checkpoint“, die Frage heute: Wie viel macht 15+23+28+33+36+4+7? Klare Sache: 42.670.719 – so viel bekommt jedenfalls ein Neuköllner Euro-Jackpot-Spieler für das Ankreuzen der oben genannten Zahlen.
Und da wir gerade in Neukölln sind: SPD-Fraktionschef Martin Hikel (31 Jahre, 208 cm groß, Abitur am Britzer Albert-Einstein-Gymnasium, Lehrer am Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Gymnasium) will Bezirksbürgermeister werden - als Nachfolger von Franziska Giffey. Die eigentliche Nr. 2, Ex-Bildungsstadtrat Jan-Christoph Rämer, hatte sich selbst aus dem Rennen genommen: Er war nachts betrunken in seinem Auto eingeschlafen – in der zweiten Reihe parkend, bei laufendem Motor.
Noch was aus Neukölln? Vielleicht was mit Drogen? Okay: In der Lenaustraße erntete die Polizei im 3. Stock einer Hinterhauswohnung die Haschplantage eines „gepflegt aussehenden Mieters“ (eine Nachbarin) – die Bewässerungsanlage war undicht geworden und ließ es in der Wohnung darunter durch die Decke regnen. (Q: „Berliner Zeitung“)
Und eine Wohnungsannonce aus Neukölln haben wir heute auch noch im Angebot, allerdings nur für Frauen – pardon: Frauen*: „Ich bin explizit auf der Suche nach einer weiblichen Mitmieterin, weil ich schon genug Testosteron in die WG einbringe.“ Na dann viel Spaß mit dem Abwasch. (Q: „Berliner Liste“)
Am Kurfürstendamm zerrten drei Männer einem Obdachlosen die Schuhe von den Füßen, dann rasten sie mit einem schwarzen VW davon. Zeugen des Vorfalls sammelten Geld für den Überfallenen.
Aus einem Leserbrief an den „Tagesspiegel“ über die Zustände in der JVA Tegel, Beispiel Haus 2: „Es ist normal, dass zwei Kollegen (einer davon manchmal sogar noch in der Ausbildung) einen ganzen Flügel des Hauses bedienen (ca. 120 Gefangene). Fast jeden Tag Übergriffe auf Bedienstete oder andere Gefangene. Aber davon dringt nur wenig bis nichts an die Öffentlichkeit, denn es werden dienstliche Meldungen von den Vorgesetzten umgeschrieben, damit die JVA Tegel sich nicht vor der Senatsverwaltung rechtfertigen muss.“
Zu den Jobangeboten:
An der Volksbühne gesucht wird „ein/e BühnenreinigerIn“ zur „Reinigung und Pflege der Spielflächen und der bühnentechnischen Einrichtungen vor, während und nach den Proben und Vorstellungen, einschlägige Berufserfahrung sind von Vorteil.“ Wird ja gerne mal rumgesaut im Theater. Allerdings sind die anstehenden Dercon-Events wohl eher steril.
Am BER suchen sie unterdessen „eine/n Mitarbeiter/in Bird & Wildlife Control“. Und sollte mal ein Wildschwein über die Startbahn flitzen - es darf derzeit aus allen Rohren geballert werden: Wegen der „Afrikanischen Schweinepest“ gilt ab sofort die „Allgemeinverfügung zur befristeten Einschränkung von Verboten nach § 22 Absatz 4 des Landesjagdgesetzes“ – erlaubt ist auch die „Bejagung von Frischlingen bis 15 Kilogramm mit Schrot“. (Q: Amtsblatt, S. 1282f)
Apropos baller baller: Attila H., Berlins bemühtester Aggro-Veganer (Sie erinnern sich? Es geht um den leicht erregbaren Bratfettbudenchef, der gerne mit Pumpgun posiert, Kritikern „am liebsten Pommes in die Visage stopfen möchte“ und Redaktionen mit Suppenhaft belegt), ist mal wieder übergekocht – diesmal, weil die Polizei ihn darauf hinwies, dass auch er seinen Porsche nicht auf dem Gehweg parken darf. Die Folge: Zwangsruhigstellung mit Handschellen und eine Anzeige wegen Widerstands und Beleidigung. Auf Facebook kündigte Atilla Rache an: „Irgendwann regiere ich dieses Land, einschließlich der Exekutive!“ (Scheint er bei der AfD aufgeschnappt zu haben). Merke: Man muss keine Wildsau essen, um sich wie eine zu benehmen.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Lassen Sie bei Ihrem Berlin-Aufenthalt auch mal die Krawatte zu Hause und gehen Sie ganz ungezwungen aus.“
Aus „Berlin kennen und lieben“, Frank Weimert, 1975 (via Matthias Borowski).
Tweet des Tages
„Den ersten Nackten im Park gesehen. Frühling in Berlin.“
Stadtleben
Trinken im Finnegan’s Irish Pub in Steglitz und schon mental auf den St. Patrick’s Day diesen Samstag einstimmen. Dafür eignet sich die beliebte, vom Dubliner Gastronomen Colm Costello betriebene Wirtschaft ganz gut: Seit 1986 bietet das Finnegan – namentlich eine Hommage an James Joyce' berühmten Dublin-Roman „Finnegan’s Wake“ - in der Bergstraße 8 irischen Expats eine kurzweilige, zweite Heimat. Denn hier kommt nicht nur das obligatorischeGuinness vom Fass: Auch Newcastle Brown Ale und Murphys gehören zum Sortiment, ebenso wie Schottischer und Irischer Whiskey, etwa Bushmills und Jameson aus Irland Laphroaig.
Berlinbesuch in Spandau abtauchen lassen: Nämlich im weltweit einzigen Tauchturm seiner Art, dem DLRG Tauchturm, bei dem man in einer Simulation auf eine Wassertiefe von 50 Metern absinkt. Zusätzlich zum Tauchgang unterzieht man sich einem kleinen Quiz, bei dem es die eigenen motorischen und visuellen Fähigkeiten zu überprüfen gilt. Natürlich sorgt ein erfahrenes Team für die Sicherheit der Teilnehmer, trotzdem sind mindestens zehn absolvierte Tauchgänge über 10 Meter Teilnahmepflicht. Pro Tauchgang(max. 6 Personen) zahlt man 150 Euro – je mehr Leute mitkommen, desto günstiger also. Einen Termin anfragen, können Sie hier.