Sie werden von der Polizei gesucht. Zumindest, falls Sie am 29. Juni zwischen 2.30 und 5.30 Uhr in Kreuzberg zwei Männern mit einer Sackkarre und Gasflasche drauf begegnet sind und sachdienliche Hinweise geben können. Die Sache ist der mysteriöse, nun ja, Anschlagsversuch auf McDonald’s in der Wrangelstraße. Was eben so passiert in langen Kreuzberger Nächten.
Die CDU, Mutter aller Single-Airport-Konzepte für Schönefeld und Kooperationspartner von Ryanair, hat ihre Mitglieder zu TXL gefragt. 36 Prozent haben geantwortet – und von denen sind 83 Prozent pro Offenhaltung. Damit sind Fronten und Thema für den Bundestagswahlkampf in Berlin geklärt: Schwarz-Gelb-Blau gegen Rot-Rot-Grün. Während Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) zu bedenken gibt, dass beim Parallelbetrieb von BER und TXL Berlin eines Tages ganz ohne genehmigten Flughafen dastehen könnte, bezeichnet CDU-Landeschefin Monika Grütters ihren Looping als „gute Botschaft“. Dazu eine grundsätzliche Anmerkung der Bundeskanzlerin: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“
Mit dem Zwischenbericht von Sonderermittler Bruno Jost wird noch deutlicher, dass der Attentäter vom Breitscheidplatz lange vor seinem Massenmord hätte hinter Gittern sitzen können, ja sollen, wenn nicht müssen. Im Innenausschuss zeichnete Jost das Bild einer Kriminalpolizei, in der ein Oberkommissar wohl aus Überlastung erst die Ermittlungen verschlampt und dann durch Aktenfrisur sein Versagen vertuscht habe. Ein furchtbares Versagen in einer Riesenbehörde, die längst zu klein ist für die Masse ihrer Aufgaben. Also einerseits ein Einzelfall, der andererseits passierte, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmten.
Geklärt ist die Ursache des Straßenbahn-Unfalls vom vergangenen Donnerstag mit 27 Verletzten, wie mein Kollege Klaus Kurpjuweit erfahren hat. Demnach stießen die beiden Züge der M10 in Prenzlauer Berg zusammen, weil vorher ein Reinigungsfahrzeug über eine Weiche links abgebogen war und deren Fernsteuerung deaktiviert hatte. Weil also die Links zwischen Tram und Trasse unterbrochen waren, bog die nächste Bahn plötzlich links ab, statt sich ihre Weiche automatisch auf Geradeausfahrt zu stellen. Und der Fahrer, der es hätte sehen müssen, fuhr in den Gegenzug hinein.
Neues aus der Messe- und Handelsstadt Berlin, die sich neuerdings um das Prädikat „Fair Trade Town“ bemüht: Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat ihre Mitarbeiter*** per Dienstanweisung verpflichtet, Gäste möglichst mit fair gehandelten Speisen und Getränken zu bewirten. In einer Mitteilung ans Abgeordnetenhaus ist bereits von großen Fortschritten in den Verwaltungen die Rede; „der Antrag auf Verleihung des Titels (Fair Trade Town) könnte dann Anfang des Jahres 2018 gestellt werden“. Falls ich zur Verleihung eingeladen werde, hätte ich gern eine Limo und Gummibärchen aus Freilandhaltung.
Fairer soll es auch auf dem Wohnungsmarkt zugehen: Die Koalition will Immobiliendealern verstärkt per Vorkaufsrecht und durch Enteignung zweckentfremdeter Wohngebäude dazwischenfunken. Eine andere Frage ist, wie viel Behördenpersonal damit in Rechtsstreiten gebunden wird, das in derselben Zeit sonst Wohnungsneubauten genehmigen könnte. Dass es so, wie es zurzeit oft läuft, nicht laufen sollte, zeigt ein aktueller Fall in Tiergarten-Süd. Laut Stadtteilforum lässt eine britische Heuschrecke an der Lützowstraße 95 Wohnungen sanieren und als Eigentum verkaufen, in dem die jetzigen Mieter dann fürs doppelte Geld bleiben dürfen – oder eben ausziehen, wohin auch immer.
Telegramm
Post von CP-Leserin Reena, die mit Air Berlin am Sonntag von Tegel nach Spanien geflogen ist – mit Baby plus Autositz, zweiteiligem Buggy und Rucksäcken. Alles pünktlich, freundlich und nach der Landung komplett und schon auf dem Band, als das Schokoherz noch zwischen den Zähnen klebte. So kann’s gehen.
So aber auch: CP-Leser Roland H. meldete Montagmittag als Gefangener aus dem Flieger AB6417, dass nach 1,5 Stunden Wartens in TXL gerade das Gepäck des Herfluges ausgeladen werde. Noch eine halbe Stunde später war das Push-back-Car zum Ausparken da. In Nürnberg fehlte dann das Gepäck, aber das trifft sicher spätestens morgen ein, wenn Herr H. wieder in Berlin ist. Denn, so die Erfahrung des Air-Berlin-Kenners Edward A. Murphy: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“
Da lob‘ ich mir die S-Bahn, die es gestern auf meinem Weg zur Arbeit auf nur drei Türstörungen und 13 unterwegs gesammelte Verspätungsminuten (bei ca. 50 vergeblichen Türschließversuchen) brachte. Immerhin wurde die Kontemplation der Pendlergesellschaft nicht durch Warnsignale oder Durchsagen gestört, da auch das Infotainment-System des Zuges („Zückbleim!!“ – Lalüüla) streikte.
Die neuerdings online erhältliche Verspätungsbescheinigung („Testversion“, CP von gestern) habe ich trotzdem nicht bekommen, denn: „Im gewählten Streckenabschnitt und für die geplante Ankunftszeit liegt uns keine Verspätung von mehr als 5 Minuten vor. Dies kann daran liegen, dass mit einem anderen Zug das Ziel dennoch pünktlich erreicht werden konnte.“ Mag sein, aber dafür müsste ich woanders wohnen. Dass fürs Formular die Abfahrtszeit erfragt und dann als Ankunft eingespeist wird, rundet die Innovation ab.
Auf der nächtlichen Heimfahrt mit dem Rad durch den Gleisdreieck-Park (Teil des überregionalen Radroutennetzes) wäre ich dann beinahe als Mettbrötchen geendet, weil die Grün Berlin GmbH den an dieser Stelle unbeleuchteten Weg unter dem U2-Viadukt mit einem filigranen Metallgitterzaun versperrt hat. Etwas Sichtbares wie Schild oder Bake war nicht drin – dafür eben ich, beinahe jedenfalls.
In der vernachlässigten Rubrik „Nicht schlecht staunte…“ meldet sich heute mein lieber Tagesspiegel-Kollege Lars von Törne: Er hat gerade die Rechnung von Call a Bike bekommen, das er, soweit er sich erinnert, zuletzt im Spätsommer 2016 genutzt hat, bevor es verschwand. Jetzt fürchtet er, dass demnächst auch Schlecker was abbucht oder das Centrum Warenhaus am Alex Verzugszinsen fordert.
Wo wir gerade bei alten Sachen sind: Der seit mehr als einem Jahr gesperrte Gerickesteg über die Spree beim Schloss Bellevue ist immer noch nicht saniert, aber zumindest das Bauschild wurde fristgemäß aktualisiert: Die Fertigstellung ist dank einem kleinen Aufkleber nun fürs 3. Quartal statt fürs 2. avisiert. Immerhin wurde die Jahreszahl (noch) nicht überklebt.
„Endlich habe ich verstanden, warum der Senat unbedingt Tegel schließen will“, schreibt CP-Leser Heiko M., nachdem er am Wochenende im Alliiertenmuseum war: und dort las, dass TXL 1948 binnen 94 Tagen gebaut wurde. „Es ist einfach zu peinlich.“ Interessanter Gedanke: Würde eine Blockade der Landwege die Fertigstellung des BER beschleunigen?
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Es würde ein Schaden entstehen, den wir nicht mehr reparieren könnten.“
Hans Gerber, Vizepräsident der Beuth-Hochschule, über die Aussichten, falls der seit Jahren geplante Umzug ins Terminal A von Tegel platzt. (Q: „Berliner Zeitung“). Heute tagt der Senat in der Hochschule, um u.a. seine Stellungnahme zum TXL-Volksentscheid zu beschließen.
Tweet des Tages
„Besuch im Stadtbad Schöneberg. Nach zwei Stunden den Eintrittspreis mittels z-Transformation und vierter Ableitung berechnet. #ditisberlin“
Stadtleben
Nach dem Kunstgeschichtestudium und einer Karriere als Tänzerin wurde Machiko Yamashita schließlich Bäckerin in Berlin. Ihre süßen und salzigen gefüllten Brötchen, sog. Pans, sind eine Mischung aus japanischem Hand- und europäischem Backwerk. In der Markthalle Neun erprobt, verzücken die abwechslungsreichen Kleinigkeiten seit letztem Jahr auch kulinarisch aufgeschlossene Charlottenburger im Kame in der Leibnizstraße 45 (S-Bhf Savignyplatz) mit Ichijiku (mit Feigen-Frischkäse-Creme) und Matcha Korone. Wer es gleich deftig möchte, bestellt Onigirazu - eine Art japanisches Pausenbrot mit Reis (geöffnet Mo-Sa 9-19 Uhr). Mehr gute japanische Restaurants finden Sie aktuellen Genuss-Magazin.