Bedeckt mit stürmischen Böen bei bis zu 7°C

wir hoffen, Sie sind nicht fortgewirbelt! Mit 120 km/h ist das Tief „Zeynep“ in der Nacht über Berlin gefegt und hat in seiner Schneise nicht nur dieses Homeoffice-Fenster erzittern lassen. Noch gibt es keine Entwarnung, bis zum Abend sind weitere Sturmböen vorhergesagt. Zoo, Sportplätze und so manch ziegelschleuderndes Rathaus bleiben daher lieber zu – der Bahnverkehr steht in Norddeutschland schon seit gestern still. Nur ein Gutes hatten die Stürme der letzten Tage: Laut dem Energiekonzern Eon hat „Ylenia“ doch glatt einen neuen Windkraft-Rekord aufgestellt (47,12 Gigawatt am Mittwochabend!). Immerhin.

Was tun, wenn die nächsten Böen durch die Stadtschluchten rauschen? Exklusive Checkpoint-Empfehlung: Tunlichst auf dem Sofa weilen und unsere Sturm-Updates studieren – oder aus sicherer Ferne waghalsige Heathrow-Landungen bestaunen.

Stürmisch geht es auch bei Franziska Giffey zu: Berlins Bürgermeisterin hat Corona. Auf Twitter bestätigte sie am Freitagnachmittag einen positiven PCR-Test, Symptome blieben aber noch aus – Team Checkpoint drückt die Daumen, dass das so bleibt!

Wir kommen zu einer Nachricht, die innehalten lässt: Am heutigen Sonnabend jährt sich der rassistische Terroranschlag von Hanau zum zweiten Mal. Am 19. Februar 2020 ermordete ein Rechtsextremist neun Menschen in und vor zwei Bars und einem Kiosk – keine anonymen Opfer, sondern neun Personen, deren Namen Gehör verdienen:

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov.

An dieser Stelle der wenig freundliche Hinweis an alle jene, die nun lieber relativieren, wegsehen oder gleich reflexartig auf die Antifa zeigen: Seit Zählungsbeginn 1990 verzeichnet das BKA offiziell 109 Todesopfer rechter Gewalt – laut Opferinitiativen liegt die Anzahl sogar noch höher (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung). Vor einem Jahr hat meine Kollegin Aida Baghernejad einen eindrücklichen Kommentar zum Anschlag verfasst, sein Titel: „‚Nie wieder‘? Von wegen – in Deutschland hört es nie auf“.

Apropos nie aufhören: Rückzahlen oder nicht rückzahlen? Bei der Frage, wie mit rechtsextremen Spenden an das Humboldtforum zu verfahren sei, redet sich der Senat heraus, dass es wehtut (Q: AGH-Anfrage, Katalin Gennburg, Linke). Zwar befürworte man Rückabwicklungen „im konkreten, jeweils zu prüfenden Einzelfall“, aber: Dafür bräuchte es einen neuen Topf. „Die Rückzahlung einer Spende ist nicht ohne weiteres möglich, da die Stiftung die Spende bereits ausgegeben hat“. Nähmen Spendende die Rückgabe an (!), müsste das Forum auch noch ausgestellte Spendenquittungen zurückfordern und schließlich – the horror! – gar das Finanzamt informieren. Erinnerungskultur, Level: Berlin.

Wir unterbrechen für eine wichtige Eilmeldung: Schöneberg ist Spitzenreiter! Zumindest, was Hochzeiten am Schnapsdatum angeht – nirgendwo sonst in Berlin geben sich am 22.2.22 so viele Paare das Ja-Wort, wie der Bezirk am Freitag verlauten lässt. Unterm Strich sind das 22… nein, 25 Termine. Verdammt aber auch.

Absolute Spitzenreiter:innen sind auch unsere Berliner:innen der Woche: Wir kommen zur Medaillenvergabe! Um den dritten Platz drängen sich heute die formidable Mahlsdorfer Pfütze, die einen plötzlichen Prominenzstatus als Google-Sehenswürdigkeit erlangt hat (Fünf Sterne, „herrliche Idylle“) – ebenso wie der Biesdorfer Lernroboter, den gar die New York Post in einem Artikel gewürdigt hat. Unsere Bronze-Medaille vergeben wir jedoch an einen anonymen Mitarbeiter des ICC-Impfzentrums. Unsere 82-jährige Leserin Ada B. schwärmt davon, wie sie – am Stock gehend – am Eingang empfangen wurde:

„Ich: Ich möchte mir die 4. Impfung abholen!
Junger Mann: Sind Sie denn schon 70?
Ich: Schon lange!
Er: Sie wirken so jugendlich!! Soll ich Ihnen einen Rollstuhl holen? Und würden Sie sich bitte die Maske aufsetzen...
Ich:   ...‘zeihung, vergesse ich manchmal!
Er (nachdem ich mir die Maske aufgesetzt hatte): Voll schöne Augen!

Unsere Leserin kommentiert: „Ich glaube, ich gehe morgen wieder zum Impfen.“

Nicht weniger charmant sausen unsere Silber-Preisträger:innen durch die Hauptstadt. In dieser Woche teilen sich die Berliner Feuerwehr – für ihre unermüdliche Geduld, den Orkanen zu trotzen – und die berüchtigten Omas gegen Rechts den zweiten Podiumsplatz. Jeden Dienstag treten die Aktivistinnen den sogenannten „Menschen mit Schildern“ (Eigenbezeichnung der Coronaleugnenden) auf der Steglitzer Schloßstraße entgegen. Wenn das keine Medaille verdient!

„Manchmal ist eine ganze Querdenker-Party dran“: Mit unangefochtenem Checkpoint-Gold beehren wir das Berliner Corona-Sorgentelefon. Derzeit laufen alle Strippen heiß, erzählt die Koordinatorin Cathrin Clift. Seit ihrem Start vor dem ersten Lockdown 2020 ist die Hotline schon dreimal verlängert worden, 9.000 Mal haben Freiwillige den Hörer abgehoben. Ein Kurz-Interview:

Frau Clift, haben sich Ihre Anrufe durch Omikron verändert?

„Man kann tatsächlich die Inzidenzen auf unsere Anrufe übertragen! Die Welle sieht fast so aus wie die, die das RKI jeden Tag rausschickt. Gerade sind viele Menschen in Quarantäne, die Anrufe sind auf dem Niveau vom April 2020. Damals in der ersten Welle hatten wir eine große Nachfrage – die ist jetzt wieder da, und zwar stabil. Seit Ende November.

Im Moment haben wir sehr viel mehr Gespräche mit Leuten, die direkt von Auswirkungen der Pandemie betroffen sind: Also Menschen, die entweder gerade selbst infiziert oder in Sorge oder in Trauer um Angehörige sind. Was wir auch beobachten, ist eine Zunahme von Angststörungen. Auch der Weg zurück in die Normalität ist für manche nicht einfach, viele müssen sich erst wieder daran gewöhnen, mit anderen in einem Raum zu sein.“

Wer ruft eigentlich bei Ihnen an?

„Das Gros unserer Anrufenden ist zwischen 40 und 60 Jahre alt, zwei Drittel Frauen. Gerade sind aber Anrufe von Jüngeren nach oben geschnellt, Väter, Mütter – aber auch Studierende, die sehr darunter leiden, dass ihre Unis nicht geöffnet sind. Nach zwei Jahren ist da ein Gefühl der Müdigkeit bei den Menschen. Die wollen nicht mehr. Außerdem sehen gerade auch Personen unsere Plakatkampagne, die sich berufen fühlen, uns zu beschimpfen – Leute aus der Querdenkerszene. Zwei, drei Gespräche am Tag. Die blocke ich gnadenlos weg. Manchmal ist eine ganze Party dran, die sich dann abwechseln mit Anrufen. Besonders die Montage mit den Spaziergängen sind da kritisch: Wenn die dann an einem Plakat vorbeilaufen, ist das direkt eine Einladung, uns anzurufen.“

Haben Sie einen Rat, wie man die kommenden Monate am besten meistert?

„Kleinschrittig wieder das Leben draußen in Angriff nehmen. Gucken, wie komme ich aus meiner Isolation raus, wie aktiviere ich wieder meine sozialen Kontakte. Da aber nicht gleich zu viel vornehmen, sondern wirklich Schritt für Schritt gehen. Versuchen, auf die Dinge zu schauen, die wieder gehen – nicht zu betrauern, was nicht mehr geht.“

Und wenn’s richtig hart auf hart kommt: 030 403 665 885.

Zu verleihen bleibt Blech. Das hätten wir in dieser Woche beinah dem Lieferdienst „Gorillas“ verpasst: In einem PR-Stunt hat das Unternehmen versucht, Unmut über Löhne, Zeitdruck und absurde Probezeiten zu zähmen – mit eigenem Plattenlabel (Q: Die Welt). Zur Förderung der „kreativen Kultur“ sollen Angestellte künftig ihre Tracks beim frisch gegründeten „Pedal Records“ produzieren: Dudeln gegen Ausbeutung, sozusagen.

Abgestaubt hat die Negativmedaille jedoch der checkpointbekannte Neukölln-Stadtrat Falko Liecke: Auf Twitter hatte er am Dienstag die Wahl der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour mit einem „fröhlichen ‚Allahu Akbar‘“ quittiert, später ruderte der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende mit einer halbherzigen Entschuldigung zurück. Für den Kommentar vergeben auch wir eine Quittung: Blech.

Was macht eigentlich die Berliner CDU in diesen turbulenten Tagen? Einen langen Winterschlaf, wenn man ihrer Webseite glauben mag. Der Reiter „Berlin-Wahl 2021“ ist nach meinem Twitter-Hinweis vom Montag zwar verschwunden, doch die altbekannte Wahlwerbung bleibt: „Neustart geht nicht mit dem alten Senat. Darum CDU!“. Nanu, fünf Monate nach der Wahl? Bei Klick aufs Banner gibt’s eine Fehlermeldung – etwas weiter unten auf der Startseite heißt es derweil: „Die CDU hat ihre besten Tage noch vor sich.“ Wir warten dann mal.

Stets up-to-date hat Lionel Kreglinger (Produktion) diesen Checkpoint in Ihre Postfächer flattern lassen, die Wochenendtipps entstammen der flinken Feder meiner Kollegin Sophie Rosenfeld. Am Montag hat Lorenz Maroldt an dieser Stelle alle hochaktuellen News der Hauptstadt parat. Fliegen Sie uns nicht weg!

Ihre Lotte Buschenhagen

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