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Giffey zu Festakt an Alice-Salomon-Hochschule nicht willkommenFür die Friedrichstraße wird der Verkehr in der Ost-City neu organisiertDas sind die Chancen und Risiken des Neun-Euro-Tickets

wir starten den Tag mit einem Überblick über die Ereignisse der letzten Stunden im Krieg gegen die Ukraine:

+++ Aus Sicht des US-Verteidigungsministeriums sind die substanziellen Fortschritte der russischen Angreifer in der Ostukraine minimal. Allerdings sei bereits Mitte Mai mit Fake-Referenden in den „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk zu rechnen, um die Gebiete zu annektieren.

+++ Der russische Außenminister Lawrow hat mit Behauptungen, wonach Hitler „jüdisches Blut“ gehabt habe und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkskyj trotz seines jüdischen Glaubens ein Nazi sei, auch im bisher zurückhaltenden Israel große Empörung ausgelöst.

+++ Die EU-Kommission entscheidet möglicherweise heute über ein Embargo gegen russisches Öl. Allerdings dürften nicht alle Staaten die Entscheidung mittragen. Die Stadt Schwedt mit ihrer maßgeblich auf Russlands Öl angewiesenen Raffinerie warnt in einem offenen Brief vor den Folgen.

+++ Bundeskanzler Olaf Scholz hat Montagabend im ZDF klargestellt: „Russland darf nicht gewinnen, und die Ukraine darf nicht verlieren.“ Scholz sicherte der Ukraine zu, Sanktionen gegen Russland nicht ohne ihr Einverständnis zurückzunehmen. Alle aktuellen Entwicklungen finden Sie jederzeit in unserem Liveblog.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey lehnt einen Rücktritt ab – auch wenn Studierende der Alice-Salomon-Hochschule sie bei einer Festveranstaltung zum 150. Geburtstag der Namensgeberin sowie anschließend in kleiner Runde mehrfach dazu aufgefordert haben. Giffeys Empfang an der Hochschule war atmosphärisch nicht allzu weit weg von den Eierwürfen am Tag davor. Studierende hatten von der Rektorin zuvor gefordert, die Regierende von dem Festakt wieder auszuladen. Der Meinungskorridor an der ASH scheint nicht allzu breit zu sein. Immerhin ging die Veranstaltung, zu der Salomons Familienmitglieder aus Israel und Großbritannien angereist waren, unfallfrei über die Bühne. Und Giffey antwortete auf die provokant gemeinte Frage „Was würde Alice sagen?“: „Vielleicht würde sie sich freuen, dass nach 800 Jahren Stadtgeschichte eine Frau die Regierende Bürgermeisterin ist.“

„Meine Vorstellung ist eine Piazza“, sagte Verkehrssenatorin Bettina Jarasch, als sie gestern Abend Bilanz und Ausblick zur sog. Flaniermeile Friedrichstraße präsentierte, die aus Sicht von Kritikern bisher eine Viel-Käse-Piazza ist. Künftiges soll ein Wettbewerb erweisen. Klar ist: Der Radweg in der Mitte kommt weg, damit sich wirklich flanieren lässt, das Baustellen-Inventar soll etwas Gefälligerem weichen. Die parallele – und seit dem Modellversuch deutlich stärker vom Autoverkehr belastete – Charlottenstraße soll möglichst schnell zur Fahrradstraße werden, zunächst ohne Poller, bei Bedarf (also ganz bestimmt) aber auch mit Sperren zur Kfz-Abwehr. Die Geschäfte sollen von den Querstraßen aus beliefert werden, die vermutlich bald stärker belastete Wilhelmstraße bekommt Busspuren, Autofahrer sollen verstärkt zu den reichlich vorhandenen Parkhäusern gelotst werden.

Vier Wochen noch, bis wir für neun Euro einen ganzen Monat fahren können, soweit der Regio uns trägt. Wie wird das werden? Vor allem eng. VBB-Sprecher Joachim Radünz sagt im neuen CP-Podcast „Berliner und Pfannkuchen“, man rechne „natürlich auch mit ein bisschen mehr Anstieg der Fahrgastzahlen“. Die Fahrgäste wiederum sollten lieber nicht mit mehr Anstieg des Angebots rechnen – von ein paar Ausnahmen abgesehen. Zugleich ist das Ticket eine Chance für Menschen wie Birgit Brackrock, die im Podcast erzählt, wie sie mit 5,02 Euro Regelsatz pro Tag fürs Essen zurechtkommt. Kurz gesagt: Ihr Ernährungsprogramm kollidiert regelmäßig mit Artikel 1 des Grundgesetzes.

Telegramm

Die CDU-Fraktion Reinickendorf schickt eine „Pressemitteilung mit der Bitte um Veröffentlichung“. Na gut. „Who run the world? Girls!“ Der Fraktionsvorsitzende teilt mit, „als einzige Fraktion im politischen Reinickendorf“ habe die Fraktion sich am Girls Day beteiligt, denn „immer noch fehlt die Perspektive von jungen Frauen in der Kommunalpolitik zu sehr“. Das stimmt. Grüße gehen raus an die Frauen in der BVV-Fraktion (39% Anteil), im Kreisvorstand (33%) und in der Agh-Fraktion der CDU (13%). Und an die zwölfjährige Lilly, die es beim Girls Day an der TU weit über Reinickendorf hinaus geschafft hat.

Gestern hatten wir hier nach Schildern gefragt, die in die Vergangenheit weisen wie jene zur 2011 abgerissenen Deutschlandhalle. CP-Leser Wolfgang E. rät, sie stehen zu lassen, damit sie da sind, falls irgendwann eine neue Halle gebaut wird. Das habe sich bereits bei den Wegweisern bewährt, die „Mitte“ signalisierten, wo man bloß bis zur Mauer kam. Bis Ende 1989 plötzlich alles wieder stimmte. Und CP-Leser Klaus H. erwähnt die Wegweiser zum seit vielen Monaten geschlossenen Haupteingang des Botanischen Gartens. Könnte man die nicht einfach … Theoretisch ja. Praktisch hat der Garten das Bezirksamt informiert.

Der im Rahmen seiner Anschaffung verschollene Minibagger aus Xhain (CP von gestern) existiert doch – jedoch als „multifunktionaler“, also auch baggerfähiger Radlader; das BA hat die entsprechende Info auf CP-Anfrage ausgebuddelt. Zuvor hatte Findlingsstadtrat Florian Schmidt via Twitter keine Antwort geliefert, sondern zurückgefragt: „Satireabteilung beim Tsp wieder aktiv?“ Satireabteilung? Beim Tsp macht jeder seine Witze selbst. Sind am billigsten so.

Was ist eigentlich mit der seit Monaten gesperrten Fußgängerbrücke über die Spree am Bahnhof Friedrichstraße? Der sichtbarste Baufortschritt dort bestand zuletzt in der Installation eines Entschuldigungsschreibens der Bahn für die Unannehmlichkeiten. Auf CP-Anfrage hieß es jetzt: „Planmäßige Instandsetzungsarbeiten“, die aber „leider umfangreicher sind als geplant“. Voraussichtlich im August soll der Zugang wieder komplett benutzbar sein. Ja, 2022.

Auch am Bahnhof Zoo wird gebaut, seit 2015 schon. Jetzt kommt die S-Bahn-Halle dran, weshalb zunächst die Geschäfte geräumt werden. Im Juni beginnt die eigentliche Sanierung, deren Kostenprognose auf 125 Mio. Euro gestiegen ist. „Für Reisende und Besucher:innen errichtet die DB für die Bauzeit einen Fußgängertunnel, um die Verbindungswege durch die Halle zu gewährleisten. Die Wände des Tunnels werden informativ gestaltet und geben Hilfestellung bei der Orientierung.“ Fertigstellung laut Bahn: 2027, „voraussichtlich“.

Der Kreuzberger Verkehrsingenieur Jens Blume macht darauf aufmerksam, dass Monat Nr. 5 der „vorläufigen Haushaltswirtschaft“ angebrochen ist: „Bauaufträge dürfen nicht vergeben werden, Schulen dürfen kein Material kaufen, Planerleistungen nicht ausgeschrieben werden etc. Welche Metropole leistet sich so etwas nach einer Wahl?“ Der Doppelhaushalt soll übrigens am 23. Juni beschlossen werden. Bleibt also noch gut ein halbes Jahr, um das 2022er-Geld unterzubringen, und wenn man später anfängt mit dem Ausgeben, reicht es hinten raus umso besser.

Die Grüne Jugend Steglitz-Zehlendorf hat einstimmig ein Kooperationsverbot mit Linksjugend („Solid“) und „Sozialistischer Deutscher Arbeiterjugend“ (SDAJ) beschlossen: Antisemiten und Putinfreunde seien keine Partner. Unmittelbare weltpolitische Konsequenzen ergeben sich daraus zunächst nicht.

Extrem energiesparend wohnen die Mieter in der Greifswalder Straße 216, wo vor genau einem Monat Heizung und Warmwasser ausgefallen sind, ohne je zurückzukehren. Die Hausverwaltung („Deutsche Boden“, CP-Leser:innen bekannt durch eine haushohe Adidas-Werbung vor Wohnungen in der Hermannstraße und eine Schadensersatz-Drohung gegen Mieter, die sich zu beschweren gewagt hatten) ließ die Betroffenen mit Terminen vertrösten, die längst vorbei sind. Auf eine CP-Anfrage gestern kam bisher keine Antwort – aber gegen 18.30 Uhr wurde das Wasser wieder warm. Gern geschehen!

Verkehrswende bedeutet auch weitere Verpollerung der Stadt, weil es viele Automobilisten nicht anders verstehen. Dabei müssen Poller gar nicht hässlich sein, wenn man ihnen ein bisschen Zuneigung und Farbe widmet. Das Foto des Oktopollers aus Irland ist einer der Lichtblicke, die sich auf Twitter finden. Davon abgesehen kann man sich durchaus fragen, ob Elon Musk für den Laden Schunderwerbsteuer zahlt.

Die ehemalige Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek findet, der 2. Mai sollte zum „Danke, liebe BSR“-Tag erklärt werden, und illustriert ihren Vorschlag mit mehreren Beweisfotos. Leider ist im Sommer in Berlin jeder Montag ein „Danke, liebe BSR“-Tag, man könnte wohl auch von einem Kampftag sprechen. Grünflächenämter sind mitgemeint (wenn sie nicht gerade Baumscheiben totjäten).

Zitat

Wir hassen Euch auch.

Entspannt klingende Lautsprecherdurchsage aus einem Mannschaftswagen der Polizei am Abend des 1. Mai am Moritzplatz, adressiert an drei angetrunkene Punks, die zuvor mehrfach gebrüllt hatten: „Ganz Berlin hasst die Polizei!“ (via Jutta Ditfurth)

 

Tweet des Tages

3 so ca. 18-Jährige bringen gerade sehr liebevoll einen ca. 80-Jährigen nach Hause, der beim Tanz in den Mai ein bisschen zu viel getrunken hat. Er will ihnen die ganze Zeit Geld anbieten, sie lehnen ab. Ich liebe diese Stadt manchmal so sehr #ditisberlin

@Svenja_Eck

Stadtleben

Trinken – Immer mehr Menschen achten auch beim Alkohol darauf, möglichst wenig Zucker zu sich zu nehmen. Slim drinking, quasi. Der Berliner Hersteller Thomas Henry hat auf diesen Trend mit einem „Dry Tonic“ reagiert (seit April im Handel). Entwickelt wurde dieses Tonic gemeinsam mit einer, die aus erster Hand weiß, was in Bars nachgefragt wird: Maria Gorbatschova, die in der Green Door Bar am Tresen steht. Dort gibt es naturgemäß nun auch Getränke mit dem weniger süßen Tonic, zum Beispiel den „In Bloom“ mit Weißwein, Jasmin-Cordial und Verjus, das Ganze dann aufgegossen mit Tonic. Laut Gorbatschova kommen die botanischen Noten in Gins durch den niedrigeren Zuckergehalt der Spirituose besser zur Geltung. Vielleicht also auch mal eine Idee, wenn man den nächsten Gin&Tonic bestellt.  Di-So ab 18 Uhr, Winterfeldtstraße 50, U-Bhf Nollendorfplatz

Das ganze Stadtleben gibt’s mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Landesvorsitzender Beamtenbund Berlin, Frank Becker“ /
Margarita Broich (62), Theater- und Fernsehschauspielerin / „Meiner Frau Carola, mit der ich auch die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest immer gerne diskutiere. Ganz viel Liebe zum Geburtstag!“ / Meira Durand (22), Schauspielerin / Franziska Giffey (44), Regierende Bürgermeisterin von Berlin (SPD) / „Liebe Nichte Heike, zu deinem runden Geburtstag alles erdenklich Gute. Wir freuen uns auf dein Fest am Samstag. Herzlich, die Teltower“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Jürgen Behn, * 5. Juni 1929 / Dr. med. Helga Huppertz, * 13. Juli 1935 / Klaus Kusch, * 9. März 1928, Vorsitzender Richter am Kammergericht a.D. / Günter Lindenblatt, * 21. April 1938, Kaufmann

StolpersteinWalter Rosenfeld wurde am 3. Juni 1902 in Berlin geboren. Laut Angaben des Berliner Melderegisters lebte er einige Zeit in Krummhübel (polnisch: Karpacz) im schlesischen Riesengebirge. Ab dem 15. August 1938 war er wieder in Berlin gemeldet. Die Polizei stufte ihn als „Volljuden“ ein, was damals bedeutete: er hatte vier jüdische Großeltern. Am 3. Mai 1944, heute vor 78 Jahren, wurde Walter Rosenfeld in einem Einzelwaggon mit nur 30 anderen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. An der Gervinusstraße 19a in Halensee erinnert seit 2013 ein Stolperstein an Walter Rosenfeld.

Encore

„Hessen verbrauchen 29 Prozent mehr Strom als Berliner“, meldet das Vergleichsportal Verivox. In absoluten Zahlen: 3728 gegenüber 2647 Kilowattstunden pro Jahr (was – Achtung, Mathe mit dem Checkpoint, also ohne Gewähr! – übrigens sogar 40 Prozent mehr sind). Das mag teilweise daran liegen, dass der hessische Durchschnittshaushalt mit 2,03 Personen elf Prozent größer ist als der Berliner, in dem laut Verivox 1,83 Personen wohnen. Aber auch daran, dass die 1,83 Durchschnittsberliner ihr Wasser seltener mit Strom erwärmen und eher in einer Wohnung wohnen als im Eigenheim mit allem Elektro-Pipapo. Oder daran, dass wir in Berlin heiße Luft auch ohne externe Energiezufuhr zu produzieren verstehen.

Das gilt selbstverständlich nicht für die kühlköpfige Recherche von Thomas Lippold und Kathrin Maurer, ebenso wenig für das wohltemperierte Stadtleben von Sarah Borufka und die erfrischende Frühproduktion von Cristina Marina. Morgen heizen Ihnen hier Christian Latz und Lorenz Maroldt im Duett ein. Machen Sie’s gut!

Ihr Stefan Jacobs

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