Die Berliner Verkehrspolitik staut sich immer mehr. Seit Wochen schon nehmen sich SPD und Grüne die Vorfahrt und bremsen sich gegenseitig aus. Ein Jahr vor der Abgeordnetenhaus-Wahl geht es nur um die lauteste Hupe, die Verkehrswende in der Stadt dagegen verliert an Geschwindigkeit. Nachdem die SPD in letzter Sekunde das Klimapaket von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) gestoppt und damit eine City Maut, eine Anhebung von Parkgebühren und das Verbot von Benzin- und Dieselfahrzeugen in der Innenstadt ab 2030 vorerst verhindert haben, legte die designierte Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey am Freitag nach: „Eine vollkommen autofreie Innenstadt ist wirklichkeitsfremd.“ Eine blendende Lichthupe an den Koalitionspartner. Giffey will mit der Verlängerung von U-Bahn-Linien (U3; U7; U2 und U8) auf die Überholspur kommen – und ist dafür bereit, bis zu zwei Milliarden Euro zu investieren. Die Grünen sind – natürlich – dagegen.
Mit ihren Forderungen scheint die SPD aber auf Kurs. Einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag von „Morgenpost“ und RBB zufolge, sind 85 Prozent aller Berlinerinnen und Berliner für einen Ausbau des U-Bahn-Netzes. 83 Prozent unterstützen zudem die Idee des Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), eines 365 Euro-Jahrestickets für den ÖPNV. Für die Grünen-Projekte innerstädtisches Fahrverbot (47 Prozent) und City-Maut (32 Prozent) finden sich keine Mehrheiten. Selbst den Erhalt der juristisch umstrittenen Pop-up-Radwege unterstützt nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent, in den Außenbezirken sind sogar mehr Personen für einen Rückbau der temporären Radstreifen.