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Wahlchaos: Giffey will Beamte verpflichtenBahnchaos: Wir suchen Berlins saftigste VerspätungGegen das Chaos: Innensenatorin verspricht Reformen für den Rettungsdienst

Dies ist der gekürzte Checkpoint.
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seit einem Tag lebt Deutschland in einer Post-Neun-Euro-Welt. Wie geht es Berlin am Morgen danach? Eigentlich dürfe er nicht mit der Presse reden, sagt ein S-Bahnfahrer meinem Kollegen Marius Ochs am Donnerstag. Aber heute seien tatsächlich mehr Kontrolleur:innen unterwegs. Schon drei, vier allein in seinem Zug. Wohl dem, der ein Ticket ergattert hat: Pünktlich zum Neun-Euro-Stopp hat die BVG-App gestern schlappgemacht, zur Rush Hour ging nichts mehr („Wartungsarbeiten“). Erst gar kein Ticket kaufen wollen die Rebell:innen vom Berliner „Neun-Euro-Fonds“: Wer einmalig neun Euro einzahlt, dem erstattet die Guerilla-Versicherung die Gebühren fürs Schwarzfahren. Bahnbrechender Ungehorsam.

Passend dazu flattert am Abend die Schlagzeile „Berlin wird erst 2042 klimaneutral“ ein. Das hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung ausgerechnet – wir lassen das mal so stehen.

Berliner Wahlskandal, Update Nr. 723462: Sollten sich bei einer Neuwahl nicht genug Masochist-, pardon, Wahlhelfer:innen finden, will Franziska Giffey Landesbedienstete verpflichten. Das hat die Bürgermeisterin im Interview mit der Berliner Zeitung angekündigt. Bis dahin warten wir sehnlich auf den 28.9. (Berlinwahl 2021+ 367 Tage) – dann beginnen die Verhandlungen über die Wahleinsprüche am Verfassungsgerichtshof, das Urteil erwartet Giffey im Dezember. Eins steht schon fest: Eine zweite Marathon-Wahl bleibt Berlin erspart, sagt die Bürgermeisterin. Halleluja.

Apropos Skandal – fast die Hälfte der 2000 Berliner Spätis hat in den letzten zehn Jahren dichtgemacht. Die 800 Läden haben die Sonntagsschließungen nicht überlebt. Jetzt stürzt sich die FDP auf den Dauerbrenner: In einem Antrag fordert die Partei, den Spätis den Sonntag zu erlauben. Schließlich sei das der Tag mit dem höchsten Umsatz – und von halblegalen Mischbetrieben und Touri-Buden könne niemand leben. Stimmt, genau wie der schönste Satz des Antrags: „Spätis gehören zu Berlin wie das Amen in der Kirche.

Was meinen Sie – alles öffnen oder lieber ruhen? Bitte abstimmen (wir sagen’s auch nicht Ihrem Späti-Mann):

Umfrage Sonntagsöffnung Spätis

Kommen wir zu noch mehr Chaos

Bahnwahnsinn I: Einmal Amsterdam-Berlin mit Nacht in Hamburg, bitte. Pah! Die Bahngötter lachen mich aus, als ich Ende Juli am Bahnhof stehe: Nüscht fährt da, Zug fällt aus. Also ab in die Ersatzbahn, von dort von Regio zu Regio – sieben Mal steige ich um. In Bremen die Hiobsbotschaft, in Hamburg wird ‘ne Bombe entschärft, wir stehen. 160 Minuten zu spät rolle ich in die Hansestadt. Dafür krieg’ ich Geld zurück, sagt der Fahrer. Also Formular zur Bahn geschickt – gestern kommt die Antwort: Sorry, wir sehen keine Verspätung. Au contraire, Sie sind 1272 Minuten zu früh gekommen! 1272 Minuten?! Zu FRÜH? Ich rufe den Service an und lasse eine Tirade los. Die Dame muss selbst lachen. Sie versichert die Rückzahlung meines halben Tickets – und warnt: „’Tschuldigung, aber das kann nochmal drei Wochen dauern.

Bahnwahnsinn II: Aus Gründen, die Sie ahnen, bin ich Ende August erstmals Flixtrain gefahren. Strecke Berlin-Frankfurt, hier muss es doch besser sein. Jugendlicher Leichtsinn! Mit dem Charme einer Easyjet-Kabine und einer Stunde Verspätung am Hauptbahnhof tuckert der Zug durch die Provinz – und kommt alle paar Meter zum Stillstand, während ICEs an uns vorbeirauschen. Beim fünften Mal sagt die Schaffnerin: „Ganz ehrlich, der Grund, dass wir stehen, ist mir unerklärlich. Die Deutsche Bahn gibt unsere Signale.“ Die lasse lieber ihre eigenen Züge vor – stimmt das, liebe Bahn? Nein, wehrt sich ein Pressesprecher auf Checkpoint-Anfrage: Auf dem Netz seien alle Züge gleichberechtigt. Ein Polizeieinsatz in Halle gibt dem Flixtrain den Rest: Wir sind 2,5 Stunden zu spät. Nächstes Mal lauf’ ich. 

Wer bietet mehr? Ihre saftigste Bahnverspätung (mit Geschichte!) bitte an checkpoint@tagesspiegel.de.

Stichwort Trauerspiel: Berlins Kastanien sind jetzt schon braun, viele Bäume sind kahl wie im November. Wo sind all die Blätter hin? An Doppelbelastung krepiert, erklärt Berlins Naturexperte Derk Ehlert am Checkpoint-Telefon. Zum einen sind die Miniermotten schuld, die sich dieses Jahr schon in der dritten Generation durchs Laub fressen: „Durch den warmen Frühling konnten sich die Motten gut vermehren. Wenn die erste Generation stark ist, dann ist die zweite umso größer und die dritte noch mehr.“ Kommen Hitze und Trockenheit dazu, hat der Baum genug und wirft Blätter ab. Was tun? Laub rechen, sagt Ehlert! „Mit den Blättern nimmt man den Motten die Larven weg.“ Wir sind mal schnell 'ne Harke suchen.

Ein Grundstück für umme? In BERLIN? Gibt’s, behauptet Checkpoint-Leser Rainer Leppin. Sogenannte „herrenlose Grundstücke“ dürfe sich jede:r aneignen. Schnell beim Senat nachgefragt: Stimmt. Wenn Bezirke auf Flächen verzichten, könnten alle Besitz anmelden, verrät die Finanzverwaltung – ganz einfach beim Grundbuchamt. Großer Haken: Ein Register der Flächen gibt es nicht, die müssen Grundstückjäger:innen bei den Bezirken erfragen. Haben wir natürlich getan! Treptow-Köpenick hat derzeit vier herrenlose Waldstücke (insg. 458 qm), zwei weitere Verfahren laufen in Tempelhof-Schöneberg. In Steglitz-Zehlendorf dümpeln gleich sechs Flächen herum, fünf davon am Lichterfelder Gerberpad. Für mehr Infos müssen Sie den Wunschbezirk löchern, die geben uns die Stadträte nicht raus – Wettlauf zum Amt in 3,2,1 ...

Telegramm

Wir blicken auf die Ukraine, in der sich die Kämpfe weiter auf die Region Cherson im Süden des Landes konzentrieren: 

+++ Das Team der Internationalen Atomenergiebehörde ist im AKW Saporischschja eingetroffen. Die Expert:innen sollen das Kraftwerk bis zum Sonnabend begutachten. Laut Angaben des ukrainischen Präsidents Selenskyj lässt Russland jedoch keine Journalist:innen ins AKW.

+++ Sozialsenatorin Katja Kipping erwartet im Winter einen neuen Anstieg der Flüchtlingszahlen aus der Ukraine in Berlin – bis zu 1000 Personen am Tag

+++ Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft Russland Zwangsumsiedlungen von Ukrainern vor.

Alle aktuellen Ereignisse können Sie in unserem Live-Blog (hier) und auf unserer Live-Karte (hier) verfolgen. Spenden für die Ukraine in Not können Sie weiterhin hier.

Hurra, die Omikron-Impfung kommt! Am Donnerstag hat die EMA Vakzinen von Biontech und Moderna die Zulassung erteilt – Lauterbach rechnet mit Lieferungen ab nächster Woche.

Kommt auch die Digitalisierung? Vielleicht: Die Berliner FDP will Ämter bis 2025 verpflichten, digital mit Bürger:innen zu kommunizieren. Das fordert die Partei in einem Antrag, der am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eingebracht werden soll. Was sagen Sie? Ämtern können KOMMUNIZIEREN?!

Das Berliner Kopftuchverbot für Lehrerinnen wackelt: Die Expert:innenkommission antimuslimischer Rassismus hat dem Senat die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes empfohlen. Derzeit läuft ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht – die Koalition ist zerstritten.

Erhört: Die Notrufe sind angekommen, sagt Innensenatorin Spranger. Bei einer Versammlung der Feuerwehr hat sie am Donnerstag Reformen für den Rettungsdienst versprochen.

Gesunken: 6000 Autos weniger als im Januar rollen über die Berliner Straßen, lässt das Kraftfahrt-Bundesamt verlauten. Die Zahl der Hauptstadt-Karren wird damit erstmals seit Jahren wieder kleiner. Der Schampus bleibt aber zu: Schuld sind nur die Lieferketten, sagt Autoforscher Ferdinand Dudenhöffer dem Tagesspiegel. „Das ist keine Trendwende.“

Gerast: In Mitte hat die Polizei am Donnerstagmorgen einen getunten E-Roller aus dem Verkehr gefischt, der es mit getauschtem Motor und Software-Hack auf wagemutige 40 km/h gebracht hat. 'Ne Fahrerlaubnis hatte der Raser nicht. Von Hirnzellen ganz zu schweigen.

Apropos Dachschaden: Den hat die Polizei in der Gothaer Straße – ein Sommersturm hat Löcher ins Dach der Wache gerissen. Die werden jetzt für 55.000 Euro repariert, das Gerüst ist schon da. Unten müssen die Beamt:innen Schmiere stehen: Gerade kann jede:r in die Wache klettern.

So viele Leistungen lassen sich bei den Berliner Ämtern buchen! Liegenschaft ... Lohnsteuer ... und Lorem ipsum! Ein öffentlicher Blindtext auf dem Service-Portal Berlin.de verspricht die Anmeldung zur „Haltung von Feuerdrachen“ – buchbar ganz leicht mit dem Formular „Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern“, Rechtsgrundlage „Falsches Üben von Xylophonmusik quält jeden größeren Zwerg (KDE), §1“.

Zum Schluss zwei Tipps zum Lesen und Lauschen: Heute Nacht ist das neue Projekt aus unserem Innolab online gegangen, das die Temperaturen in Deutschland einordnet. Ist das Wetter oder Klimakrise? Auf die Ohren gibt’s währenddessen die neue Folge vom Gyncast, Thema Ultraschall – so oder so: harter Stoff.

Zitat

„Ich hoffe, es kommt kein Kontrolleur! Wir ha’m alle keinen Fahrschein.“

Fahrgast zum Busfahrer, Bus 186 nach S Lichterfelde Süd

 

Tweet des Tages

Lieber Herr Lindner. Meine studentische Hilfskraft aus dem 1. Semester Logistik hat noch 10 Stunden abzuarbeiten. Ich biete Ihnen an, dass sie ein Programm schreibt, welches Steuer-ID und #IBAN zusammenführt. In der dann verbleibenden Zeit poliert sie noch Ihren Porsche.

@3mausimhaus

Stadtleben

Berliner Gesellschaft

Geburtstag  Silke Alsweiler Lösch, Geschäftsführerin Förderkreis Deutsche Oper, „Gratulation und Dank für großes Engagement“ /„Lieber Wilhelm Baeck, zu Deinem ganz besonderen Geburtstag gratulieren Dir Christiane und Bert sehr herzlich aus der Eifel“ / Inken Becher (44), ehem. Fußballspielerin /„Liebe Jule, beste Kollegin, Kümmerin und nun auch Mitglied im Club der vierten Null. Glückwunsch und Kopf hoch, wir feiern die ganze Nacht!“ / Nicolette Krebitz (50), Schauspielerin und Regisseurin / „Rainer – nur Gutes für das neue Lebensjahr und zunächst: immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!“ / Jack White (82), (bürgerlich Horst Nußbaum), ehem. Fußballspieler und Musikproduzent

Sonnabend  Christoph Bertram (85), Journalist und Experte für Außenpolitik / Jérôme Boateng (34), Profi-Fußballer / Peter Fox (51) Hip-Hop-Musiker und Frontman der Band Seeed / „Am 3. September wird Gisela Mikisch 80 Jahre alt. Wir wünschen der besten Mutter der Welt alles Liebe“ / Volker Kauder (73), deutscher Politiker (CDU) / Thomas Ostermeier (54), Regisseur und künstlerischer Leiter an der Schaubühne / Dagmar Schipanski (79), Physikerin, Professorin für Elektronik und CDU-Politikerin / Anna Voy Kunith (43), Schauspielerin / Simone von Zglinicki (71), Schauspielerin

SonntagThorsten Becker (64), Schriftsteller / PD Dr. Klaus-Henning Fey, Chirurg, Chefarzt i.R. / Dieter Köster (75), Regisseur / Hans-Georg Näder (61), Unternehmer / Ralf Pröve (62), Historiker / Peggy Schwarz (51), ehem. Berliner Eiskunstläuferin / Ingmar Stadelmann (42), Comedian und Radiomoderator

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

GestorbenDr. med. Beate Maria Loddenkemper, * 26. November 1938 / Norbert Schrobsdorff, * 30. Juli 1946 / Dr. med. Ulrich Walther, * 12. September 1926

StolpersteinMaria Leo kam am 18. Oktober 1873 als Tochter eines jüdischen Kaufmannes in Berlin zur Welt. Sie war Musiklehrerin, als auch Pianistin und Frauenrechtlerin und lebte in Schöneberg. Heute vor 80 Jahren, am 2. September 1942, starb Maria Leo, in den Suizid getrieben. Seit 2006 liegt an der Pallasstraße 12 in Schöneberg ein Stolperstein für Maria Leo.

Encore

Berliner Hausnummern (XI): Selbsthilfebücher, Müggelseesand und fast intakte Waschmaschinen: 19.724 Dinge waren zum Zeitpunkt dieses Checkpoint-Versands auf Ebay Kleinanzeigen in Berlin zu verschenken. Braucht noch wer ein defektes Netzteil?

Keine Zeit verschenkt hat heute Morgen Cristina Marina (Produktion), die Kulturtipps zum Freitag hat Sarah Borufka ausgegraben (Stadtleben). Am Samstag begrüßt Sie an dieser Stelle Thomas Wochnik.

Ihre Lotte Buschenhagen

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