Neue Urania-Chefin Sprondel im Interview: „Junge Menschen werden zu wenig gehört“

Mit Sprondel übernimmt nun zum ersten Mal seit 1888 eine Frau die Leitung der Urania. Wie sie das Haus zu einem Demokratieforum transformieren und Wissensvermittlung stärken will. Von Robert Ide.

Neue Urania-Chefin Sprondel im Interview: „Junge Menschen werden zu wenig gehört“
Foto: Urania

Alles neu macht der April. Am Montag begann auch bei einer altehrwürdigen Berliner Institution eine neue Ära. Mit Johanna Sprondel, bisher Professorin für Medien, Marketing und Kommunikation an der Uni Stuttgart, tritt die erste Frau an die Spitze der 1888 gegründeten Urania. Das Wissenschafts- und Debattenzentrum in der City West war in den vergangenen Jahren von Ulrich Weigand modernisiert worden (Interview hier) und soll nun mit jeweils 40 Millionen Euro vom Bund und Land Berlin zu einem Demokratie- und Bürgerforum ausgebaut werden. Welche Zukunft die Urania hat, der wir als Tagesspiegel mit der Debattenreihe „Stadt im Gespräch, Berlin im Wandel“ seit vielen Jahren verbunden sind, und welche Chancen Berlin in Zukunft nutzen sollte, erzählt die 42-Jährige im Checkpoint-Interview:

Frau Sprondel, haben Sie schon eine Wohnung in Berlin gefunden?
Die Suche entfiel zum Glück, weil ich schon seit 2010 in Charlottenburg wohne. Zur Urania kann ich daher zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren.

Ihr Motto lautet: Transformiert Euch! Wo hat Berlin hier den größten Nachholbedarf?
Das Wichtigste für Veränderung ist der Dialog. Berlin kann sich gegenseitig mehr zuhören, das Ohr der Stadt an die Wünsche ihrer Bürgerinnen und Bürgern halten. Das gilt nicht nur, wenn es um einen bestimmten Bedarf oder um bestimmte Orte geht, sondern für die Stadtgesellschaft insgesamt. Vor allem junge Menschen werden zur Zukunft Berlins bislang zu wenig gehört.

Wissen ist im Internet überall zu haben. Wozu braucht es noch Orte der Wissensvermittlung?
Informationen gibt es überall, aber sie allein sind ja noch kein Wissen. In unseren heutigen Debatten fehlt leider oft das Verständnis für die Bedeutung von Wissen. Wir brauchen weniger Verachtung für andere Meinungen und mehr Neugier auf Erkenntnisse der Wissenschaft. Dazu braucht es Orte wie die Urania.

Die gesellschaftlichen Debatten werden immer hitziger und aggressiver. Wie wollen Sie und die Urania den Austausch befrieden?
Zuerst sollten auch wir ins Zuhören kommen: Welche Bedarfe an Wissen gibt es in Berlin? Unsere Stadt hat so große Potentiale in Wissenschaft und Kunst, die wir zugänglicher machen wollen. Unsere Aufgabe ist die Teilhabe der Menschen, wir wollen sie aktiv zum Dialog einladen.

Auch die Urania ist im Umbruch. Das Debattenzentrum soll modernisiert, ausgebaut und zum Demokratieforum umgewandelt werden. Was ist Ihnen dabei am wichtigsten?
Ein Bürgerforum kann nicht nur ein Ort sein, wo Dialog stattfindet. Es muss selbst ein Angebot für Dialog schaffen – mit der wichtigsten Frage: Was braucht Ihr? Es bringt nichts, wenn ich hier sitze und mutmaße, was die Menschen wollen. Wir wollen das zusammen mit ihnen herausfinden.

Welche Dinge müssen bei der Transformation erhalten bleiben?
Die Urania ist eine ganz alte Lady mit 135-jähriger Geschichte. Ihr Grundauftrag, die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an ein breites Publikum, ist heute mindestens so aktuell wie bei ihrer Gründung. Es ist ein wenig wie bei Google Maps. Obwohl es keinen Stadtplan zum Falten mehr gibt, ist die Grundidee einer Landkarte immer noch wichtig. Unsere Essenz als Urania lautet: Wissen ist Voraussetzung für Demokratie und Vielfalt.

Sie sind die erste Frau an der Spitze der Urania. Welche Akzente wollen Sie persönlich einbringen?
Frauen sollten in wichtigen Institutionen genauso repräsentiert sein wie Männer. Ich mache sicher nichts anders, nur weil ich Frau bin. Aber Diversität ist mir natürlich ein Anliegen. Darauf werde ich auch bei der Urania achten.