Ein Brandenburger Bauer über Gründe und Grenzen der Proteste: „Solche Vorfälle wie mit Robert Habeck bringen uns nicht voran, sondern schaden unserer Sache“
Derzeit sei er im Dauereinsatz, sagt der Vizevorsitzende des Bauernverbands Havelland. Im Interview spricht er über Ursachen und Ziele der Proteste und die Abgrenzung gegen Radikale. Von Robert Ide.
Bauer sucht Stau. Während die protestierenden Landwirte am Montag die Berliner Innenstadt volldieselten und ganz im Stile der selbst ernannten „Letzten Generation“ viele Straßen und Autobahnen in Deutschland blockierten (im Gegensatz zu den Klimaprotestlern allerdings meist angemeldet), um gegen Subventionskürzungen zu protestieren (die allerdings teilweise schon zurückgenommen worden sind), hält sich die Bundesregierung abgesehen von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) abseits des Ackers. Der auch bei diesem Thema in sich hineingeheimnissende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt die Sache laufen, als ob sie damit im Sande der Felder verlaufen würde. Und der Bauernverband hat Mühe zu verhindern, dass die von ihm selbst rhetorisch angespitzten Mistgabeln nicht der Demokratie, in der dieser Protest erlaubt und auch legitim ist, bleibende Stiche versetzen (Liveblog hier).
Die Bäuerinnen und Bauern haben derweil tatsächlich ernsthafte Sorgen, wie Thomas Große Rüschkamp zu berichten weiß. Der 43 Jahre alte Landwirt führt einen Ackerbaubetrieb bei Nauen im Havelland und beteiligt sich an den Protesten in Brandenburg und Berlin (Foto hier). Er lehnt aber, auch in seiner Funktion als Vizevorsitzender des Bauern-Kreisverbandes Havelland, eine Radikalisierung der Bewegung ab. Im Checkpoint-Interview erzählt er, was ihn bewegt und wie er sich einen Dialog zwischen Stadt und Land vorstellt.
Herr Große Rüschkamp, sind Sie auch mit Ihrem Trecker zum Protestieren unterwegs?
Klar. Ich bin derzeit im Dauereinsatz, beteilige mich an Mahnwachen und angemeldeten Demos. Am Freitag haben wir den Auftakt bei uns in Ribbeck gemacht und mit der Politik diskutiert. Wir versuchen auch, an Tankstellen mit den Menschen über unsere Lage ins Gespräch zu kommen. Am kommenden Montag werde ich mit meinem Traktor wieder zur Demo in Berlin sein.
Wie stark ist Ihr Betrieb von Kürzungen der Subventionen betroffen?
Der Streit um die Rückvergütung des Agrardiesels hat das Fass für uns Bauern zum Überlaufen gebracht. Seit Jahren gibt es sehr viele neue Regelungen und Auflagen für die Landwirtschaft, die uns stark einschränken. Nicht nur die Düngemittelverordnung wurde verschärft. Wenn ich einen Schweinestall baue und dann nach fünf Jahren eine Auflage bekomme, den Boden für hunderttausende Euro auswechseln zu müssen, kann ich meine Investitionen künftig kaum kalkulieren. Das bedroht die Existenz vieler Betriebe.
Es geht also gar nicht um die Subvention für den Agrardiesel?
Doch, natürlich auch. Unser Betrieb produziert Weizen und Raps für den Weltmarkt, da haben wir durch höhere Kosten nun einen Nachteil. Die Regierung muss einen Haushalt sanieren, den sie nicht verfassungsgemäß aufgestellt hat. Dafür werden nun die Bauern überproportional belastet.
Allerdings sind die Subventionen für die Landwirtschaft auch überproportional. Und die Kürzungen wurden teilweise schon zurückgenommen.
Wir haben viele Nachteile gegenüber anderen Ländern. Wir müssen vier Prozent Fläche unserer Äcker stilllegen, müssen Abstände zu Flüssen und Gräben einhalten – das brauchen die Kanadier bei ihren Äckern nicht zu tun. Es gibt auch Milliardensubventionen für Chipfabriken. Die tastet der Finanzminister von der FDP aber nicht an. Die Bauern werden ungerecht behandelt. Deshalb ist die Wut so groß.
Rechtfertigt das, Straßen zu blockieren? Bundeswirtschaftsminister Habeck wurde nach seinem Urlaub am Fähranleger massiv bedrängt. Wo ist bei Ihnen die Grenze des Protests erreicht?
Wir wollen nicht die Regierung stürzen. Und jeder Protest muss legal sein. Ich lehne ganz klar Aktionen ab, bei denen Leute in Bedrängnis gebracht werden. Solche Vorfälle wie mit Robert Habeck bringen uns nicht voran, sondern schaden unserer Sache. Natürlich ist die Blockade von Straßen eine Gratwanderung. Wir alle müssen dafür sorgen, dass Einsatzkräfte und Pflegeberufe durchkommen.
Haben Sie Sorge, dass Ihr Protest von Demokratiefeinden gekapert wird?
Natürlich gibt es auch unter Landwirten Leute, die Rechtsaußen stehen, so wie in der gesamten Gesellschaft, von denen müssen wir uns klar abgrenzen. Und ihnen sagen, dass sie Symbole wie den Galgen einpacken müssen. Dies müssen wir als Bauernverband klarer machen, die Aufklärungsarbeit für unsere Anliegen muss besser werden. Wir sollten auch mehr darüber sprechen, wie wir mit neuen Anbaumethoden versuchen, Diesel zu sparen.
Wie sollten Menschen aus der Stadt auf Bauern auf dem Land gucken?
Sie sollten uns vor allem erst einmal zuhören. Zuletzt war ich bei einer Familienfeier in Berlin, da wurde mir gesagt: Das muss ja schrecklich sein, wenn man eine große Tierhaltung hat. Dabei wird gerne vergessen: Die Kühe und Schweine im Stall haben heutzutage viel mehr Platz als noch vor 20, 30 Jahren. Viele Bauern haben ein Herz für ihre Tiere. Die pauschalen Schlagworte, dass Bauern nur die Umwelt kaputtmachen und das Wasser verschmutzen, führen zu einer pauschalen Abwehrreaktion. Ich lade lieber Leute auf meinen Hof ein und zeige ihnen, wie unsere Arbeit funktioniert. Dann sehen sie auch, dass wir nicht gegen die Natur arbeiten, sondern mit der Natur. Wir müssen uns das allerdings weiterhin leisten können. Da sollte man uns mehr vertrauen.