Berlin erlebt heute Ausnahmezustand des Ausnahmezustands

„Liebig34“-Räumung, BVG-Streik, vollgestopfte S-Bahn-Waggons – wer glaubt, das war alles an diesem Freitag in Berlin, täuscht. Eine Nummernrevue von Robert Ide

Berlin erlebt heute Ausnahmezustand des Ausnahmezustands
Foto: Tobias Schwarz/AFP

Heute können wir alle was erleben: Klar, in Berlin setzt sich die Normalität aus dem Unnormalen zusammen, am heutigen Freitag aber wird der Ausnahmezustand des Ausnahmezustandes ausgerufen. Hier die wichtigsten Zustände in Kürze, natürlich ganz berlinisch ohne gänzlich geklärte Zuständigkeiten:

1)  Bus und Bahn werden ganztags bestreikt, weshalb sich alle abstandslos in die S-Bahn stopfen müssen (Kommentar hier).

2) Der S-Bahn-Ring ist noch bis Montag kaputt nach einem offensichtlich linksradikalen Anschlag, mit dem die Arbeiterklasse endlich von der „feministisch-revolutionär-anarchistischen“ Revolte überzeugt werden soll (Update hier). Auch am S-Bahnhof Tiergarten hat es in der Nacht gebrannt. Aktuell (6:47 Uhr) halten dort keine Züge in Richtung Zoologischer Garten (Verkehrsblog hier).

3) Das linksradikal besetzte Haus in der Liebigstraße 34 in Friedrichshain soll heute mit einem Großaufgebot der Polizei geräumt werden. Auf Friedrichshains Straßen dürften schon tagsüber Schlachten geschlagen werden, für die auch demonstrierende Kinder der „Freien Schule Kreuzberg“ instrumentalisiert werden sollen (Liveblog hier).

4) Stille Schlachten liefern sich immer mehr Eltern mit Kitas und Schulen, welche Kindergruppen wegen Infektionsfällen zu Hause bleiben sollen und wie sie angesichts der völlig überraschend über der Bildungsverwaltung zusammenschlagenden zweiten Welle noch was lernen können. Digital jedenfalls wenig (Überblick hier).

5) Alle Berlinerinnen und Berliner, die am Wochenende vor dem Corona-Chaos in die Herbstferien flüchten wollen, brauchen wegen eines bundesweiten Beherbergungsverbots plötzlich einen negativen Corona-Test. Dazu SPD-Experte Karl Lauterbach am Donnerstagabend auf Twitter: „Die Regel ist nicht kontrollierbar, nicht vermittelbar und bald redundant. Die Regel ist ein Flop und reduziert die lebenswichtige Akzeptanz anderer Regeln.“ (Kritik hier) Aber wie es mit Regeln so ist: Sie gelten – bis auf Weiteres.

6) Wer bis auf Weiteres an die östliche Ostsee will, muss nach seiner Einreise mit negativem Testfahrschein außerdem noch fünf Tage in Quarantäne in seinem Ferienhaus hocken bleiben (Übersicht zu allen Bundesländern hier). Hoffentlich hat das Hotel dann Meerblick. Sonst spielen alle aus Langeweile: Ich seee was, was Du nicht siehst.

7) Und auch das noch: Die Kapazitäten für Corona-Tests in Berlin sind jetzt schon zu 95 Prozent ausgeschöpft. Und nun werden Ärzte, Testzentren und Gesundheitsämter auch noch politisch gewollt von Urlaubswilligen überrannt. So viel zum gesunden Krisenmanagement (Erlebnisbericht hier).

8) Außer für Testlabore gilt ab Sonnabend eine stadtweite Sperrstunde. Kreuzberger Nächte sind kurz. Und Berlin ist ab 23 Uhr dicht. Immerhin das ändert sich nicht.

Und damit zerstreuen wir uns mal lieber, am besten mit Urlaub von uns selbst.