Warum sich alte Leute von der CDU für eine Latex-Party einsetzen
Nach langen Verhandlungen hat das Bezirksamt Mitte ein Lacklust-Event verboten – „das schränkt Berlin ein“, beklagt Wolfram Wickert von der Senioren-Union. Von Julius Betschka

„Prüderie am Plötzensee“, so heißt das Stück, und das geht so: Mittes Bezirkspolitik hat keine Lust auf tropisches Flair im Wedding, keine Lust auf Netzstrümpfe, Leder, wildes Rumknutschen, mehr und zu viel nackte Haut. Das Bezirksamt hat die Lacklust-Party „Tropicalia“ am Plötzensee untersagt. Lärmschutz und Landschaftsschutz, argumentiert Umweltstadträtin Sabine Weißler (Grüne). Aber selbst die örtlichen Kleingärtner stören sich laut „Morgenpost“ nicht an den Feierleuten von nebenan. Wenig überraschend forderte der Grüne Georg Kössler, Partypolitiker seiner Fraktion, seine Party… ach, Parteifreundin aus Mitte dazu auf, die Feier noch zu ermöglichen.
Unterstützung kommt auch von unerwarteter Seite: Wolfram Wickert, CDU, Schriftsteller und Maler, Bruder von Ulrich Wickert, Großneffe von Konrad Adenauer und stellvertretender Vorsitzender der Senioren-Union Berlin-Mitte greift die Bezirkspolitik für ihre, sagen wir, Politik der Unkultur an. Ein Checkpoint-Telefonat.
Herr Wickert, nachdem am Plötzensee eine sexpositive Party untersagt wurde, fordert ihre Senioren-Union, die zuständigen Bezirkspolitiker von SPD und Grünen zu rügen, sieht Verbotspolitik. Warum ist diese Party so wichtig?
Die Senioren-Union ist dagegen, dass Feiern kurzfristig abgesagt werden, über die monatelang verhandelt wurde. Wir sehen anhand dieses Beispiels eine Überforderung der zuständigen Politiker. Das sind Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel, Baustadtrat Ephraim Gothe und Umweltstadträtin Sabine Weißler. Alles, was Frau Weißler anpackt, geht schief, wird verschusselt und verzögert. Das Monbijoutheater in Mitte musste verschwinden, weil es angeblich auf einer Grünfläche stand.
Das Theater wurde nun immerhin gerettet.
Wissen Sie, das stand vorher auf dem Dach eines Weltkriegsbunkers, da wächst kein einziger Grashalm. Unter uns sagen wir oft, wir landen hier bald in Pjöngjang, wenn das so weitergeht.
Wie kommen Sie denn auf diesen Vergleich?
Da ist doch auch nichts los! Alles wird verboten, quotiert, unmöglich gemacht. Das schränkt einen so ein, das schränkt diese Stadt ein – auch geistig und kulturell.
Sonst beschäftigt sich die Senioren-Union mit Renten-Politik, Erhaltung von Bargeld, Einsamkeit im Alter. Warum regt Sie die Partypolitik in Mitte so auf?
Ach, natürlich interessiert uns als Senioren die Kultur! Wir sind rüstig, ordentlich auf Trab. Viele von uns gehen oft ins Theater. Wir haben das Gefühl, dass für die Kultur- und Partyszene viel zu wenig getan wird. Mitte lebt von der Kultur, von der Gastwirtschaft, dem Tourismus. Das Versagen hat sich in den letzten Jahren gehäuft, ob es um das leerstehende Parkcafé Rehberge geht, das Theater im Monbijoupark oder die Party am Plötzensee. Hier versagen die zuständigen Politiker von SPD und Grünen. Wir müssen doch in der Pandemie überhaupt alles fördern, was an der frischen Luft geschieht.
Sie beklagen in ihrem Schreiben „willentlich vergeudetes öffentliches Vermögen“. Oft geht es bei den Verboten um Lärmschutz, Müll, fehlende Zulassungen. Sie würden ein Auge zudrücken?
Natürlich! Die Kultur muss sich selbst entwickeln. Man kann nicht alles kaputt verordnen. Ich sehe darin eine Überforderung, einen gewissen kulturellen Kleingeist, der überhaupt nicht nach Berlin passt. Der Berliner ist fröhlich, witzig. Das, was die Bezirksführung politisch macht, hat doch damit nichts tun. Kein Witz, keine Schlagfertigkeit, nur Verwalterei.
Was erhoffen Sie sich von dem Schreiben?
Na, neue Politiker an die Macht! Es sind ja zum Glück bald Wahlen.
Sie selbst wollen nicht?
Nein, nein. Ich gebe gern Ideen, mische die CDU von innen auf. Da sehe ich meine Aufgabe. Manchmal muss man seine Partei ja zum Jagen tragen.