SPD und Linke streiten über Vergabe-Mindestlohn
Das Abgeordnetenhaus hat 12,50 Euro Vergabe-Mindestlohn beschlossen. Für Rot-Rot-Grün kein Grund zur Freude. Die SPD brüskiert die Linke. Aus dem Checkpoint. Von Anke Myrrhe
Mindestens peinlich war das, was sich gestern Nachmittag auf Twitter abgespielt hat, nachdem das Abgeordnetenhaus die Erhöhung des Vergabe-Mindestlohns auf 12,50 Euro beschlossen hatte, den bundesweit höchsten. Ein Grund zu feiern, wenn auch virtuell? Eher nicht. Die SPD-Fraktion um Raed Saleh gab eine alleinige Pressemitteilung heraus und twitterte: „Geschafft! Der faire Mindestlohn! Jetzt 12,50 Euro (Daumen-hoch-Bild). Danke an Linke und Grüne, dass sie unsere Idee unterstützten.“
Die Reaktionen kamen prompt und heftig:
Arbeitssenatorin Elke Breitenbach: „Früher hätte r2g angesichts des Erfolges eine gemeinsame Pressemitteilung gemacht und gefeiert.....“
„.... heute lebt die Profilneurose (Hand-vor-Stirn-Emoji)“.
Sabine Bangert (MdA, Grüne): „Liegt vielleicht an der Krise“
Regina Kittler (MdA, Linke): Sollen wir jetzt die Schweizer Kräuterbonbonfrage wirklich in der Schwitzhütte stellen?
Katina Schubert (Linken-Chefin): „Wenn das nur eure Idee war, könnt ihr das ja jetzt auf Bundesebene auch machen. Ich finde, sowas müssen wir uns nicht geben, ganz ernsthaft.“
Ülker Radziwill (SPD): "Am Ende gutes Teamwork & Erfolg für #r2g,#Landesmindestlohn ist als erstes Bundesland nun auf 12,50 erhöht, mit dem Vergabegesetz soeben synchronisiert, gut so. Ja, gerne auch auf Bundesebene, an der SPD scheitert es nicht, eher an den Schwarzen.“
Georg P. Kössler (MdA, Grüne) versuchte noch zu schlichten: „Ich habe Hoffnung, dass wir das in Zukunft wieder machen. Beim Anblick der Opposition gibt es keine Alternative zu #R2G!“
Die Sache ist deswegen besonders brisant, weil der Streit um die Urheberschft zwischen Linken und der SPD schon seit mehr als einem Jahr brodelt – seit sich der Regierende himself im November 2018 im Tagesspiegel für die Erhöhung auf 12,63 ausgesprochen hatte. Mein Kollege Ulrich Zawatka-Gerlach hat allerdings damals schon genauer hingeschaut und herausgefunden: Die Linken haben recht. Bereits im Mai hatte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linke) mitgeteilt, dass rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich sei, „um bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden über 45 Jahre versicherungspflichtige Beschäftigung hinweg“ anschließend eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung im Alter zu erhalten. Ende 2017 waren das 814 Euro für Ruheständler, die außerhalb von Pflegeeinrichtungen leben. Müller war erst skeptisch – und machte sich das Mindestlohnprojekt dann zu eigen. Und Linken-Landeschefin Katina Schubert befand schon damals: „Das haben uns die Sozialdemokraten geklaut.“