Yoga-Retreat versus „re:publica“: Was in Berlin so alles als Bildungsurlaub zählt – und was nicht

Ein Besuch der Digitalmesse „re:publica“ geht nicht als Bildungszeit durch. „Gourmet-Basenfasten“ in Wiesbaden oder Yoga auf Gran Canaria dagegen schon. Von Lorenz Maroldt.

Yoga-Retreat versus „re:publica“: Was in Berlin so alles als Bildungsurlaub zählt – und was nicht
Foto: Imago/agefotostock

So, Hände hoch: Wer kommt mit auf Bildungsurlaub? Oh, sorry, das heißt ja jetzt „Bildungszeit“. Urlaub klang dem Senat zu sehr nach… naja, eben nach Urlaub, nach zehn Tagen zusätzlichem, bezahltem Urlaub alle zwei Jahre. Jetzt also „Bildungszeit“ (Hinweis für Neuberliner: Der Begriff war frei, weil die Schulzeit in Berlin seit Einführung der Vergleichstests nicht mehr als Bildungszeit gilt). Ok, egal – mal sehen: Wo lassen wir uns denn mal so richtig schön anerkannt weiterbilden (kurzer Blick auf die 4387 Angebote) …

… na, hier haben wir doch schon was: „Auszeit auf Gran Canaria“, 5 Tage Yoga und Meditation in Playa del Ingles. Oder vielleicht lieber den „Gleitschirm-Kombikurs“, 8 Tage an der Rhön? Auch eine Reise nach Havanna ist im zusätzlich bezahlten Bildungszeitbudget, das Thema hier: „Wie sich der karibische Sozialismus neu erfindet“. Die übrigen Tage geht’s an die Ostsee zum Seminar „Dänisch für Segler:innen“, nach Rheinsberg im Flecken Zechlin zum „Gourmet-Basenfasten“ oder in die Bembel-Hauptstadt Wiesbaden für den Kurs „Der Clown – die Lust am Scheitern“.

Was leider nicht geht: Einen Tag bezahlte Bildungszeit zu nehmen für den Besuch der wichtigsten Messe für digitale Kommunikation, der „re:publica“ (8. bis 10. Juni, Arena Berlin) – die Veranstalter bemühen sich seit Jahren vergeblich um die Anerkennung als Bildungsanbieter.  Wir haben mal nachgefragt, warum das so ist – hier die Antwort des Senats:

Es muss eine durchgehende Interaktion sowohl zwischen Lehrenden und Lernenden als auch zwischen den Lernenden gewährleistet sein. Der Veranstalter hat in seinem Antrag eine Teilnahmezahl von 7000 Personen angegeben, die in unterschiedlichen Foren individuell interagieren können. Eine durchgehende Interaktion im Sinne des Berliner Bildungszeitgesetzes ist damit nicht gewährleistet.“

Aha! Ganz im Gegensatz also zur Meditation auf den Kanaren („Ommm…“), dem Gleitschirmflug über der Rhön („Hm, wo isser hin?“) oder dem Gourmet-Basenfasten („Mir ist im Traum ein Döner erschienen“). Tja, und wieder was dazugelernt: Das Internet hat nichts mit Interaktion zu tun, und in Playa del Ingles wird bei der Meditation die ganze Zeit nur gequasselt. Oder hatten Sie das schon gewusst? Na also. Aber kommen Sie jetzt nicht auf die Idee, die Checkpoint-Lektüre als Bildungszeit abzurechnen – obwohl wir ja hier in Berlin die wahren Experten für die „Lust am Scheitern“ sind (nächster Kurs gleich morgen früh um 6 Uhr).