Gesundheitsverwaltung vergibt dubiosen Millionenauftrag für Aufbau von Testzentren
84 Millionen Euro investiert der Berliner Senat in die eigenen Schnelltestzentren. Das Unternehmen, das sie betreibt, hat die Ausschreibung selbst mitgeschrieben. Von Julius Betschka
Goldrausch im Nasenbusiness. So schnell wie in kaum einem anderen Bundesland öffneten in Berlin Corona-Schnelltest-Stationen – in Clubs, Apotheken oder Schulen. 210 gibt es inzwischen, 617.000 kostenlose Abstriche sind pro Woche möglich. Eine Erfolgsgeschichte. Für Unternehmer lohnt sich dieses Geschäft: 18 Euro pro Test zahlt der Staat. Organisiert wird der Aufbau in Berlin vom Unternehmen 21DX. Dazu werden 31 landeseigene Test-Zentren von dem Unternehmen selbst betrieben. Den Millionen-Auftrag hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ohne Ausschreibung vergeben, es sollte rasch mit den Schnelltests gehen. Jetzt gibt es – nach heftiger Kritik und einer Datenpanne – doch eine Ausschreibung. Zumindest soll alles danach aussehen.
Nach Recherchen des Checkpoints wurde der Zuschnitt des Auftrags, die „Leistungsbeschreibung“, von der 21DX-Geschäftsführerin angefertigt und nicht wie üblich von der Verwaltung (Beweis hier). Branchenkenner gehen davon, dass der Auftrag so auf das Unternehmen zugeschnitten sein könnte, dass niemand anders eine Chance habe, sich zu bewerben. So würden sehr enge Bewerbervoraussetzungen aufgerufen, die wohl nur 21DX erfüllen kann. Im Gegensatz dazu ist der Preisrahmen sehr großzügig (CP 26.03.): mehr als 84 Millionen Euro ist der Auftrag wert. Wohl deutlich mehr Geld, als für das Test-Volumen nach der Test-Verordnung des Bundes notwendig wäre.
Die Gesundheitsverwaltung antwortet auf Checkpoint-Anfrage knapp: „Das laufende Ausschreibungsverfahren richtet sich in vollem Umfang nach den geltenden Bestimmungen des Vergaberechts“, schreibt ein Sprecher. Auch 21DX erkennt kein Problem: „Wir haben die Senatsverwaltung bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung unterstützt“, schreibt die Firma aus München. „Als Bestandsunternehmen wurden wir gebeten, einen Teil der Leistungsbeschreibung beizufügen.“ Und natürlich bewerbe man sich auch wieder auf den Auftrag.
Wolfram Krohn, Vergaberechts-Spezialist der Kanzlei Dentons, sieht den Fall kritisch: „Es ist zwar nicht grundsätzlich verboten, dass die Verwaltung sich vom Bestandsbetreiber bei der Vorbereitung der Ausschreibung helfen lässt. Wettbewerblich ist das aber hoch problematisch.“ Die Verwaltung müsse sicherstellen, dass dadurch keine Wettbewerbsverzerrung eintritt. „Die Verzerrung kann vor allem darin bestehen, dass das Unternehmen Anforderungen in der Ausschreibung unterbringt, die es nur selbst erfüllen kann, oder bei denen es erhebliche Vorteile hat“, sagt Krohn. „Ein Geschmäckle hat eine Hilfestellung durch den Bestandsdienstleister in jedem Fall.“ Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, sagte dem Checkpoint: „Das ist mehr als dubios. Mir scheint, hier wird irgendjemandem ein Auftrag zugeschustert – und massiv Steuergeld verschwendet.“ Ein Fall fürs Parlament.