Der Demo-Monitor
Ob Kundgebung für die „Würde der Stadttauben“ oder „Mahnwache gegen Farbfernsehen“: Berlin demonstriert ohne Ende. Wie vielfältig und teilweise verrückt die Inhalte sind, wissen Sie als Checkpoint-Leser am besten, denn wir präsentieren hier den Protest jeden Tag mit einer eigenen Rubrik. Allein in den vergangenen zwölf Monaten waren in Berlin 6.975 Demonstrationen angemeldet, das macht – Mathe mit dem Checkpoint – durchschnittlich 19 pro Tag. In einer umfassenden Analyse hat das Tagesspiegel Innovation Lab (mit Polizei-Statistiken von „FragDenStaat“) jetzt erstmals alle Proteste seit 2018 analysiert und in einem Demo-Monitor zusammengefasst. Die Erkenntnisse:
+ Die meisten Demos finden samstags statt, die häufigste Startzeit ist 14 Uhr, die häufigste Endzeit 20 Uhr. Juli ist statistisch gesehen der Monat mit den meisten Demos.
+ Die Zahl der Teilnehmer bleibt mehr oder weniger konstant, während die Zahl der Demonstrationen leicht steigt – womöglich ein nachgelagerter Pandemie-Effekt: weniger Großveranstaltungen, mehr kleine Aktionen.
+ Die drei Top-Themen sind laut Teilnehmerzahlen: Bürgerrechte, Gleichstellung, Diskriminierung (1,57 Millionen Teilnehmerinnen seit 2018), internationale Politik (787.156) und Klima, Umwelt und Energie (371.536)
+ Corona hat anders mobilisiert. Unsere Analyse zeigt: Demos mit Corona-Bezug – ob für oder gegen die Maßnahmen – finden tendenziell ferner vom Stadtzentrum statt. Prof. Dr. Swen Hutter, Direktor des Berliner Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung, spricht von einer andersartigen Mobilisierung, „die oftmals auch Milieus umfasste, die nicht zu den gängigen Protestierenden zähl(t)en.“ Demonstriert wird noch immer. Allein im August gab es 29 Kundgebungen.
+ In Charlottenburg-Wilmersdorf, Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Treptow-Köpenick brachte die Corona-Politik die meisten Menschen auf die Straße, in Tempelhof-Schöneberg, Pankow und Steglitz-Zehlendorf bewegte das Fahrrad, in Neukölln, Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg stand die Außenpolitik im Fokus, in Mitte waren es feministische Themen und in Spandau die Arbeit.
+ Die Klimabewegung scheint nicht mehr so viele Leute zu mobilisieren wie noch 2019 (wobei das zum Teil auch an Zählfehlern der Polizei liegen könnte, eine große „Fridays for Future“-Kundgebung war mit 36 statt 36.000 Teilnehmern vermerkt). Insgesamt wurde bei Klimademos zuletzt seltener nachgezählt. „Aufgrund vereinzelt festgestellter Nachlässigkeit beim Befüllen der Abschlussmeldung sind die Einsatzkräfte aktuell entsprechend sensibilisiert worden“, teilt die Polizei auf Anfrage mit. Nachhilfe mit dem Checkpoint: gern geschehen.
Die ganze Analyse finden Sie hier: Demo-Analyse Berlin – Wofür gehen die Leute auf die Straße? Und auf der interaktiven Karte können Sie schauen, wofür in Ihrem Kiez so demonstriert wird. Aber bitte nicht gleich die Nachbarn anbrüllen.