Koalitionsstreit über das Kopftuch
in der Koalition ist das Kopftuch zerschnitten: Justizsenator Dirk Behrendt teilte überraschend mit, dass Rechtsreferendarinnen bei der begleiteten Leitung von Zivilprozessen künftig das religiöse Symbol tragen dürfen – die SPD verweist empört aufs Neutralitätsgesetz: „Der Justizsenator verstößt gegen geltendes Recht“, sagte ein sozialdemokratisches Senatsmitglied dem Checkpoint, und der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier nannte die unabgestimmte Entscheidung „respektlos gegenüber den Senatskolleginnen und Senatskollegen“, die nach dem Urteil des Bundesarbeitsgericht (eine abgelehnte Lehramtsanwärterin hatte eine Entschädigung erstritten) erst noch ein gemeinsames Vorgehen besprechen wollten.
CDU-Rechtexperte Sven Rissmann erhöhte den Einsatz – er warf dem Justizsenator einen „Akt exekutiver Arroganz und Überheblichkeit“ und „fortwährende grüne Trumpisierung der Landespolitik“ vor. Behrendt saß lächelnd auf der Senatsbank und schwieg, und die Grünen-Fraktion ließ ein Schreiben der Bildungsverwaltung von gestern an alle öffentlichen Schulen zur „Anwendung des Neutralitätsgesetzes“ kursieren – darin heißt es: „Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter (Referendarinnen und Referendare) werden gemäß § 4 Neutralitätsgesetz Ausnahmen vom Verbot gemacht.“
Doch die SPD brachte das nur noch mehr auf die Kirchturmspitze – Kohlmeier sprach von „Nebelkerzen“: „Falsch, schlichtweg falsch“ sei die Behauptung, die Schulverwaltung habe einen solchen Beschluss gerade gefasst. Tatsächlich heißt es in dem Schreiben weiter: „Dies gilt nicht für Lehrkräfte, die sich im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst befinden“ – der Subtext: gilt nicht für Rechtsreferendarinnen, die Prozesse leiten. Die waren, wenn sie Kopftuch trugen, bisher „von hoheitlichen Aufgaben ausgeschlossen“ – konkret betraf das nach Angaben eines Sprechers des Kammergerichts pro Jahr „eine bis zwei Frauen“.
Bei der Staatsanwaltschaft herrscht dennoch überwiegend „völliges Unverständnis“, die Kopftuch-Freigabe „hat die Entfremdung zwischen dem Senator und der Justiz noch verstärkt“, sagt einer der Juristen – und ein anderer kündigt gar an, als Christ werde er demnächst „eine Dornenkrone tragen“. Monty Python hätte jedenfalls viel Spaß in Berlin heutzutage. Und was meinen Sie: