„Ich gehe nicht davon aus, dass ich Bürgermeister bleibe“
Nach der Wahl stellt sich Pankows Bezirkschef Sören Benn (Linke) auf den Abschied von seinem Posten ein. Im Interview betont er zudem die Solidarität mit der Ukraine. Von Robert Ide
Die Nachbeben der Wahlen schütteln auch jeden Berliner Bezirk politisch durch. Schließlich ist jetzt die CDU in neun Bezirken stärkste Kraft, stellt aber bislang in keiner Kiezstadt eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister. Dass das Beamtenrecht den Wählerwillen schlägt, soll nun zügig per Gesetz geändert werden. In den Bezirken bereitet man sich bereits darauf vor, sich politisch neu aufzuschütteln.
In Mitte hat die bisherige SPD-Schulstadträtin Maja Lasić ihren Posten zugunsten der CDU abgegeben. Und in Pankow stellt sich Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) auf ein Ende seiner Amtszeit ein, wie er im Checkpoint-Gespräch verrät. Bis dahin kümmert sich der umtriebige 54-Jährige um ein Projekt, das weit über sein Amt hinausreicht: eine Solidaritätspartnerschaft Pankows mit der westukrainischen Großstadt Riwne – dazu lud Benn am Montagabend zu einer ersten Konferenz im Bezirk. Politik ist oft mehr als ein Posten.
Herr Benn, wie kann ein Bezirk wie Pankow der Ukraine konkret helfen?
Wir können und wollen viel tun. Unsere neue Partnerstadt braucht einen stetigen Fluss an haltbaren Lebensmitteln, Medikamenten und Verbandsmaterial. Dazu kommen alle Hilfsmittel, die Kriegsversehrte für ihre Mobilität benötigen. In der Stadt wird gerade ein Rehabilitationszentrum aufgebaut, dafür braucht es Ausstattung.
Außerdem gibt es einen hohen Bedarf an Energiegeräten, also Powerbanks, Generatoren, auch mobilen Kaminöfen. Es fehlen Autos und Lieferwagen, Busse für den Nahverkehr, weil ein großer Teil für Transporte ins Frontgebiet abgegeben werden musste. Wir suchen Freiwillige, die Warenlieferungen auch selbst in die Ukraine bringen wollen. Es gibt in Riwne mehr als 20.000 Binnengeflüchtete, die im Grunde alles benötigen, was einen Haushalt ausmacht.
Und es gibt immer mehr Kriegswaisen. Ihnen bei uns in Berlin und im Umland in den Sommerferien eine Auszeit zu ermöglichen, wäre unendlich wertvoll.
Bei meinem Besuch gab es überall den starken Wunsch nach direkten Kontakten, von Initiative zu Initiative, von Unternehmen zu Unternehmen, von Schule zu Schule. Und für den Wiederaufbau nach dem Krieg sind Partnerschaften von Behörden, Parlamenten oder Redaktionen hilfreich. Es stärkt den Menschen dort sehr den Rücken, lebendige Kontakte pflegen zu können.
Während Sie der Ukraine helfen wollen, reden die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht und prominente Vertreter der Linken die Kriegsverbrechen Russlands klein und fordern einen Stopp der Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine. Was hält Sie bei diesen Botschaften noch in der Partei Die Linke?
Ich bin in dieser Partei, weil ich überzeugt bin, dass wir um zum Überleben auf dem Planeten unser ökonomisches Betriebssystem grundlegend ändern müssen. Daran halte ich mich gerade fest und versuche ansonsten, die zivilgesellschaftliche ukrainische Perspektive in der Partei stark zu machen.
Der Kurs der Linken ist unklar, in Berlin bleibt ihr wohl nur die Opposition. Wie muss sich Ihre Partei in Berlin erneuern?
Sie muss diverser werden in alle Richtungen und sie muss diese Vielfalt lieben lernen. Dann wird sie erfolgreich sein. Sie muss den Kontakt zu den sozialen Bewegungen weiter vertiefen, aber in der Opposition auch das Regierungshandwerk pflegen. Denn dahin wollen wir ja zurück.
Bei der Wiederholungswahl in Pankow ist die Linke klar hinter Grünen und CDU gelandet. Entspricht es dem Wählerwillen, dass sie mit Ihnen immer noch den Bezirksbürgermeister stellt?
Der Wählerwille ist vielfältig auf die Parteien verteilt. Wir alle bilden nur mehr oder weniger große Minderheiten ab. Das zwingt zu Parteienbündnissen. Nicht überall stellt daher die stärkste Partei die Spitze in den Bezirken. Als Drittplatzierte, die wir als Linke jetzt sind, gehe ich aber nicht davon aus, dass ich Bürgermeister bleibe. Um das zivilisiert über die Bühne zu bringen, arbeitet die Landesebene an einer gesetzlichen Regelung für die Bezirke für diesen bisher einmaligen Vorgang.
Auch wenn Sie nicht mehr Bürgermeister sein sollten: Was ist Ihnen persönlich an Politik am wichtigsten?
Verbunden zu sein mit Menschen, die etwas wollen und dafür auch arbeiten.