Berlin vergisst die historische Bösebrücke beim Mauerfall-Jubiläum
Das gilt ab sofort, unverzüglich. So schnell, wie die Mauer aufging vor 30 Jahren, so langsam schließen sich die Zeitfenster für eine originelle Mauerfallparty heute. Eine Million Touristen werden rund um den 9. November erwartet; und Berlins Partyorganisatoren sind fünf Jahre nach der Lichtgrenze offenbar langsam dicht am Ende des Tunnels: Nachdem eine mal geplante Fête de la Musique entlang der alten Mauer doch nicht angestimmt wird, soll nun an sieben Orten der Stadt eine Woche lang diskutiert und gefeiert werden, etwa mit einem Konzert von Patti Smith in der Gethsemanekirche. Gleich um die Ecke an der Bornholmer Straße gingen damals die Schranken zuerst auf in jener Nacht, in der Berlin endlich wieder eins mit sich war und Stadt von Welt wurde. Und was kriegt die Welt zu sehen am 9. November an der Bösebrücke zwischen Wedding und Pankow, auf der das Wort „Wahnsinn“ geboren wurde und meine Mutter nach den ersten Schritten in den West-Berliner Arbeiterbezirk entsetzt fragte: „Und wo ist jetzt hier der Westen“?
Der Glanz der Geschichte, er bleibt 30 Jahre später blass. Der Berliner Senat plant hier nichts (heißt es aus Senatskreisen), der Bundespräsident ist lieber um die Ecke an der Gedenkstätte Bernauer Straße, die Bundeskanzlerin weiß noch nicht, wie sie diesen Tag überhaupt verbringen soll (heißt es aus Regierungskreisen), der Bezirk Pankow hat nur gehört, dass die Bundesregierung überlegt, ob sie nun am historischen Ort was machen soll oder nicht – und das zuständige Innen- und Heimatministerium lässt auf Checkpoint-Anfrage wissen: „Die konkreten Planungen für mögliche Veranstaltungen rund um den 9.11. am Standort Bösebrücke sind noch nicht abgeschlossen.“ Und so gibt es bisher nur einige lokale Initiativen wie den jährlichen Anwohnertreff des grünen Abgeordneten Andreas Otto, der an der Brücke wieder ab 19 Uhr „ein offenes Mikrophon und grünen Glühwein“ anbietet. Hoffentlich fragt dann da keiner: „Und wo war jetzt hier der Mauerfall?“