Pädagogik des Schreckens: Berliner Schulstadtrat stellt massenweise Strafanträge gegen Schüler

Auf frischer Tat ertappt wurden die Jugendlichen, als sie nach 19 Uhr noch zusammen Basketball spielten. Jetzt haben sie Anzeigen wegen Hausfriedensbruch und Lärmbelästigung am Hals. Von Lorenz Maroldt

Pädagogik des Schreckens: Berliner Schulstadtrat stellt massenweise Strafanträge gegen Schüler
Foto: dpa/Arne Dedert

Ein Schulstadtrat, der massenweise Strafanträge gegen Schüler stellt? Ok, da muss ja was ganz Schlimmes vorgefallen sein! Oder etwa nicht? Das schauen wir uns doch gleich mal genauer an

Der Tatort: das Primo-Levi-Gymnasium in Pankow, genauer: der Basketballplatz.

Die Täter: minderjährige Schüler.

Die Tat: Minderjährige Schüler spielen nach 19 Uhr Basketball auf dem Schulsportplatz.

Der Tatvorwurf: Hausfriedensbruch („… wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“, §128 StGb).

Auf frischer Tat ertappte Täter brachte die Polizei zurück zu ihren Eltern, über 14-Jährige wurden später zur Vernehmung vorgeladen, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Ein Beamter sagt, dass es um mehr als 40 Verfahren geht. Und wer oder was steckt dahinter? „Ein Politikum“, heißt es bei der Polizei.

Oder besser gesagt: ein Politiker – nämlich Schulstadtrat Jörn Pasternack (CDU). Dem Checkpoint ließ er gestern mitteilen, dass es „immer wieder zu nutzungsbedingten Lärmbelästigungen der umliegenden Anwohner außerhalb der Öffnungszeiten“ kommt und deshalb Hausfriedensbruch vorliegt. Und weiter:

Zum Schutz der Anwohner mussten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um das unberechtigte Betreten der Flächen wirksamer zu unterbinden. Auf die erfolgten Strafanzeigen von Anwohnern auf Grund von Hausfriedensbruch wurden seitens der Polizei Anfragen zu Strafanträgen an den zuständigen Stadtrat gestellt, welche dieser wegen der anhaltenden Lärmbelästigungen bestätigte. Hier waren neben den Belangen sporttreibender Jugendlicher auch die Belange der Anwohnenden zu berücksichtigen.“

Pasternack, bis zu seiner Politikkarriere selbst Polizist, verschafft also nicht nur seinen früheren Kollegen und der ohnehin überlasteten Justiz mit den völlig überzogen wirkenden Strafanträgen enorme Mehrarbeit, sondern vertritt als Schulstadtrat und zweifacher Vater gegenüber spielfreudigen Kindern anderer Eltern zudem eine Pädagogik des Schreckens.

So sieht das offenbar auch der Staatsanwalt – er verzichtet in einem Fall, der dem Checkpoint detailliert vorliegt, auf „die strafrechtliche Verfolgung wegen der oben genannten Straftat“, weil er davon ausgeht, dass der ermittelte Täter, ein 15-jähriger Junge, der an einem schönen Frühlingsabend mit seinem kleinen Bruder ein bisschen Basketball spielen wollte, „durch das bisherige Verfahren ausreichend belehrtund gewarnt worden ist“.

Wie schön – die Ruhe in der Stadt ist gerettet.