So viel muss ein Autofahrer in Berlin für seine Unschuld zahlen

Eine Radfahrerin wird von einem Wagen gerammt, bricht sich die Wirbelsäule. Sie erstattet Anzeige – und bekommt einen Brief von der Staatsanwaltschaft. Von Julius Betschka

So viel muss ein Autofahrer in Berlin für seine Unschuld zahlen
Foto: Alexander Heinl/dpa

Aus der Kategorie: Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer das Gleiche. Am 20. September 2019 wurde die Radfahrerin Susanne Hannig in der Wiltbergstraße in Buch von einem Autofahrer angefahren. Tempo-30-Zone. Die 37 Jährige war morgens mit dem Lastenrad unterwegs, ihre drei Kinder vorne drin. Der Wagen rammte die vier von hinten – auf schnurgerader Straße. Die Zwillingsschwestern, 7, und ihr kleiner Bruder, 5, kamen mit einem Schock und Kratzern davon. Hannig stürzte auf Rücken und Hinterkopf. Sie brach sich die Wirbelsäule, musste operiert werden. Ihr Helm verhinderte Schlimmeres. Hannig erstattete Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. 

Am Wochenende kam ein Brief des Staatsanwalts: Zahlt der Fahrer 200 Euro an die Justiz, wird das Verfahren eingestellt. Der Unfallverursacher sei „durch das bisherige Verfahren für die Zukunft hinreichend gewarnt.” Hannig sagt dem Checkpoint: „Dieses Schreiben ist ein Schlag ins Gesicht.” Der Fahrer habe sich bis heute nicht bei ihr gemeldet, um um Entschuldigung zu bitten. In dem Brief der Staatsanwaltschaft stimmen nicht einmal Datum und Adresse der Frau.

In Charlottenburg wurde am Samstag ein 64 Jahre alter Radfahrer von einem Auto totgefahren. Es ist schon der fünfte Radfahrer, der 2020 bei einem Verkehrsunfall getötet wird. Es ist Anfang Februar. Im gesamten Jahr 2019 waren es sechs. Nach einer Mahnwache versprach Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) am Sonntagabend einen „Runden Tisch Verkehrssicherheit”. Dort sollen „besonders kurzfristig wirkende Maßnahmen” erörtert werden. Höchste Zeit. Für Maßnahmen, nicht für runde Tische.