Gericht hält Berliner Schulgesetz für verfassungswidrig: Verhaltensauffällige Schüler konnten vom Schulbesuch ausgeschlossen werden
Eltern gingen gegen den Schul-Ausschluss ihres Sohnes vor. Dafür gab es laut Gericht „keine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage“. Der Junge darf wieder zur Schule gehen. Von Lorenz Maroldt

bisher völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bildungsverwaltung am vergangenen Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht eine schmerzliche Niederlage mit weitreichenden Folgen kassiert. Die eigentlichen Verlierer sind allerdings die Bildungspolitikerinnen der früheren rot-grün-roten Koalition: Maja Lasic (SPD), Marianne Burkert-Eulitz (Grüne) und Regina Kittler (Linke) hatten trotz einer ausdrücklichen Warnung aus der Senatskanzlei wegen „rechtsförmlicher Probleme“ im September 2021 mit der Mehrheit ihrer Fraktionen eine Reform des Schulgesetzes durchgesetzt. Demnach konnte die Schulaufsichtsbehörde u.a. verhaltensauffällige Schüler ganz oder teilweise vom Schulbesuch ausschließen – auch gegen den Willen der Eltern.
Mit dem Beschluss VG 3 L 208/24 stellt das Verwaltungsgericht jetzt fest:
„Die in § 41 Abs. 3a Satz 1 und 2 enthaltene Ermächtigung der Schulaufsichtsbehörde, das Ruhen der Schulbesuchspflicht anzuordnen, hält aller Voraussicht nach einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.“ Für einen derartigen „erheblichen Grundrechtseingriff“ gebe es „keine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage“, weil im Berliner Gesetz, anders als in anderen Bundesländern, keine „Gefährdungstatbestände“ benannt werden. Es sei deshalb „evident“, dass die gesetzliche Regelung nicht einmal den „verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen“ genüge.
Mit anderen Worten: Erst wurde gepfuscht, und jetzt herrscht Willkür.
Im konkreten Fall ging es um einen 11jährigen Schüler, der an einer Autismus-Spektrum-Störung leidet. Mit der Begründung des wiederholten „gewalttätigen Verhaltens“ hatte die Senatsverwaltung Anfang März das „vorübergehende vollständige Ruhen der Schulbesuchspflicht“ angeordnet –also einen kompletten Ausschluss vom Schulbetrieb. Dagegen waren die Eltern vorgegangen. Mit Erfolg: Von heute an kann ihr Sohn wieder zur Schule gehen.
Mehr zu diesem Fall und den Folgen können Sie heute Nachmittag auch auf unserer Website im Plus-Bereich lesen. Ein Artikel über den Platzmangel und die eingeschränkte Betreuung autistischer Schüler in Berlin folgt in Kürze.