Ein selbsternanntes „Kiezkulturerbe“ weniger: Herthas Kultkneipe „Zum Kugelblitz“ in Berlin-Wedding macht dicht

„Uns ging am Ende die Kraft aus“, sagen die Macher der Herthakneipe. Was die Schließung mit Kommerzkicks, hohen Bierpreisen und tiefen Tabellenplätzen zu tun hat. Von Robert Ide

Ein selbsternanntes „Kiezkulturerbe“ weniger: Herthas Kultkneipe „Zum Kugelblitz“ in Berlin-Wedding macht dicht
"Essig" mit gepflegten Bieren - die Hertha-Kultkneipe "Zum Kugelblitz" schließt für immer ihre Zapfhähne. Symboldbild: Imago/Klaus Martin Höfer

Gute Nachricht für Hertha BSC: Mit Florian Niederlechner aus Augsburg will der Bundesligist mal einen Stürmer verpflichten, der Tore schießen kann. Aber natürlich ist bei der launischen Fußball-Diva das nächste Eigentor nicht weit. Die Fankneipe „Zum Kugelblitz“ im Wedding (Video hier), selbsternanntes „Kiezkulturerbe“ und in der Pandemie durch die „Aktion Herthakneipe“ gerettet, macht dicht. Wirtin Christiane, Wirt Klaus und die drei lustigen Damen von der Raucherbar schließen den Bierhahn. „Immer standet Ihr, unsere Gäste, im Vordergrund“, schreibt die Crew zum Abschied. Der Autor dieses Checkpoints, zuletzt hier zur Premiere der Hertha-Doku des RBB mit blau-weißem Likör und Alt-Berliner Geschichten bewirtet, kann das nur bestätigen.

„Uns ging am Ende die Kraft aus“, berichtet Lokalchef Klaus Kuhfeld am Checkpoint-Telefon. Der 67-Jährige leidet mit seiner Fußballkneipe auch am gesunkenen Interesse für den durchvermarkteten Profisport, das auch während der WM in Katar zu spüren war. „Champions-League-Spiele mit deutscher Beteiligung will heute keiner mehr sehen, da sitzen wir allein am Tresen“, erzählt Klaus Kuhfeld. „Und Herthas Auswärtsspiele allein reißen es nicht raus.“ Zumal Hertha von der Champions League so weit entfernt ist wie Lokalkonkurrent 1. FC Union (der gestern auf dem Transfermarkt sein Abwehrjuwel Julian Ryerson an Borussia Dortmund verlor) vom Abstiegskampf.

Stehen Berlins Kneipen also auch Kiez für Kiez vor dem Abstieg? „Viele Wirte sind in der Krise flexibel“, berichtet Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer beim Gaststättenverband Dehoga, am Checkpoint-Telefon. „Meist haben die Kneipen eine treue Kundschaft sowie langjährige Belegschaft und leiden nicht so sehr unter Fachkräftemangel wie Gaststätten.“ Das Problem seien eher die hohen Rohstoff- und Energiepreise. „Eine typische Eckkneipe erhöht im Sinne ihrer Gäste den Bierpreis nur von 3 Euro auf 3,25 Euro anstatt gleich auf 4 Euro.“ Das gehe oft zulasten der Betreiber, die Verluste durch Eigenarbeit auszugleichen versuchten. „Ein Fünf-Sterne-Hotel kann die Krise besser abfangen als eine Eckkneipe“, sagt Lengfelder. Dabei braucht Berlin das wohl eher nicht: noch mehr Hotels.