Bis zu 150% Wahlbeteiligung in Berlin
Mit dem Abgang der Landeswahlleitung ist es nicht getan – in mindestens 16 Berliner Wahlbezirken passen Daten nicht zusammen. Was ist da schiefgelaufen? Von Nina Breher, Manuel Hirzel, Hendrik Lehmann, David Meidinger und Helena Wittlich.
Nach den Wahlen ist so viel schonmal klar: Wir leben in einer einzigartigen Stadt. Nur hier gibt es mehr Wähler:innen als Wahlberechtigte, können also mehr Leute wählen als wählen dürfen. Äh, Moment, wie bitte? In mindestens 16 Wahlbezirken (Brief- und Urnenwahlbezirke zusammengerechnet) könnte es nach Berechnungen des Tagesspiegel Innovation Labs bei den Berliner Wahlen mehr abgegebene Stimmen als Wahlberechtigte gegeben haben. Drei Beispiele: Reinickendorf, Wahlbezirk 124J (gebildet aus Urnenwahlbezirk 417 + (Brief-)Wahlbezirk 4J), Volksentscheid: insgesamt 1382 Wahlberechtigte, aber 2146 abgegebene Stimmen. Wahlbeteiligung demnach: 150 Prozent. Tempelhof-Schöneberg: Briefwahlbezirk 077I kommt mysteriöserweise sowohl bei der AGH-Zweitstimme als auch beim Volksentscheid auf 126 Prozent Wahlbeteiligung (je 1120 Wahlberechtigte, 1414 Wählende). Neukölln, Briefwahlbezirk 083P, Volksentscheid: 2147 Wahlberechtigte, 2170 Wähler:innen. Fast eine Punktlandung mit etwas über 100 Prozent Wahlbeteiligung.
Grundlage der Berechnung ist das vorläufige amtliche Endergebnis, das am Wahlmorgen versandt wurde. 16 kombinierte Brief- und Urnenwahlbezirke würden zwar statistisch gesehen das Wahlergebnis nicht gravierend verändern, die betroffenen Stimmbezirke enthalten nur je zwischen 1000 und 2500 Stimmberechtigte. Aber es könnte auf mögliche Fehler hinweisen. Es ist aber auch möglich, dass in den Listen der Wahlleiterin nur falsch definiert wurde, was „abgegebene Stimmen“ bedeuten, dass die Stimmen woanders eingerechnet wurden. Oder dass die Briefwahlbezirke nicht zu den Urnenwahlbezirken passen, denen sie in den Daten der Landeswahlleiterin aber explizit zugeordnet sind. Was genau schiefgelaufen ist, wissen wir heute Morgen noch nicht – dass in mehreren Fällen irgendetwas schiefgelaufen sein könnte, darauf weisen die Daten hin, die von David Meidinger, Helena Wittlich und Manuel Hirzel sorgfältig geprüft worden sind.