Bezirk Mitte widerspricht Senatsbeschluss: Wie in Berlin ein Platz, der keiner gewesen sein soll, verschwindet

Zwischen HU, Heine-Denkmal und Gorki-Theater liegt der Platz der Märzrevolution. Er hat kein Schild und der Bezirk Mitte bestreitet gar seine Existenz. Nun soll er weg. Von Lorenz Maroldt.

Bezirk Mitte widerspricht Senatsbeschluss: Wie in Berlin ein Platz, der keiner gewesen sein soll, verschwindet
Foto: IMAGO / imagebroker

Ein Ort, den wir für das Projekt „Helmut Kohl“ nicht empfehlen können, liegt zwischen Maxim-Gorki-Theater, Straße am Festungsgraben, Kastanienwäldchen, Dorotheenstraße und der HU – denn das ist Berlins Bermuda-Dreieck: Hier verschwinden Plätze so wie im Norden der Karibik die Schiffe. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal weiter:

Heute auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 13. März 1998, veröffentlichte der Senat im Amtsblatt auf Seite 1045 den Beschluss, eben diesen namenslosen Ort in der Nachbarschaft von Helmut Kohls Deutschem Historischen Museum und direkt neben der früheren Singakademie, wo nach dem Aufstand die Preußische Nationalversammlung tagte, in „Platz der Märzrevolution“ zu benennen. Angesichts des damaligen 150. Jahrestags des Beginns der Barrikadenkämpfe in Berlin heißt es im Amtsblatt weiter: „Die Benennung wird am 18. März 1998 wirksam.“ Und: „Die sofortige Vollziehung der Straßenbenennung wird angeordnet.“

Berlinkenner wissen, was hier „sofortige Vollziehung“ bedeutet: Kannste vergessen. Und so kam es auch: Zwar tauchte der „Platz der Märzrevolution“ an genau dieser Stelle auf gedruckten und digitalen Stadtplänen auf, und die Verwaltung ordnete ihn namentlich in Wahlbroschüren noch im Jahr 2019 dem Stimmbezirk 108 zu; aber auch im 175. Jahr der Märzrevolution weist nichts darauf hin, dass hier jemand die Absicht hat, ein Namensschild zu errichten und damit einen Senatsbeschluss zu vollziehen. Im Gegenteil: Das Bezirksamt Mitte bestreitet inzwischen sogar, dass es hier überhaupt einen Platz gibt, der zu benennen wäre.

Und dazu dient ein kleiner Trick: Die Verwaltung erklärt heute offiziell, in der Amtsblatt-Veröffentlichung sei es um einen „noch anzulegenden und noch zu gestaltenden Platz“ gegangenen. Da aber niemand dort einen Platz angelegt und der Senat die Pläne zur „Herstellung“ eines solchen Platzes zudem aufgegeben habe, gebe es folglich auch keinen Platz, der benannt werden könne. Tatsächlich aber ist im inzwischen leicht vergilbten, ansonsten aber originalen Amtsblatt nur die Rede vom „noch zu gestaltenden Platz“ – was die tatsächliche Existenz eines solchen Platzes voraussetzt und zugleich bestätigt. Und so lautet ja auch die Überschrift des Original-Amtsblatts: „Benennung eines Platzes.“

Warum hier trotz der Proteste u.a. der „Berliner Geschichtswerkstatt“ 25 Jahre lang keine Schilder aufgestellt wurden und wohl auch keine mehr aufgestellt werden, liegt vor allem daran, dass inzwischen der „Platz vor dem Brandenburger Tor“ in „Platz des 18. März“ umbenannt wurde. Damit, so der Bezirk, sei der Beschluss zum „Platz der Märzrevolution“ gegenstandslos geworden; der Verwaltungsakt müsse deshalb auch nicht rückgängig gemacht werden. Die Beschlüsse zum „Platz des 18. März“ fielen allerdings 1997 und 1999 – also zur gleichen Zeit wie der zum „Platz der Märzrevolution“. Und so verschwinden in Berlin auf wundersame Weise sogar Plätze, die es nie gegeben hat.