„Verzeihen, verstehen, vorwärts gehen“: Wie Neu-Präsident Kay Bernstein Hertha BSC retten will

Hier verrät Bernstein, warum ihn seine Wahl nicht überraschte und was er mit Investor Windhorst vorhat. Außerdem: sein großes, aber „langweiliges“ Ziel. Ein Interview von Robert Ide

„Verzeihen, verstehen, vorwärts gehen“: Wie Neu-Präsident Kay Bernstein Hertha BSC retten will
Herthas neuer Präsident Kay Bernstein, hier vor einem Wandbild des Olympiastadions in seinem Firmensitz. Foto: imago/Matthias Koch

Es ist nicht weniger als eine Revolution auf dem Fußballplatz – und das mitten in der Sommerpause. Hertha BSC, der älteste Fußballverein der Bundesliga, hat als erster Profiklub in Deutschland einen aktiven Fan zum Präsidenten gewählt. Kay Bernstein, geboren im Erzgebirge und groß geworden auf den Bolzplätzen von Marzahn, war lange Vorsänger der Fans im Olympiastadion und ist nun Kommunikationsunternehmer. Auf der Mitgliederversammlung am Sonntag setzte sich der 41-Jährige überraschend gegen den Politiker und Sportmanager Frank Steffel durch – mit dem Versprechen, die dauerlaunische Fußballdiva zur Ruhe zu bringen. Damit dies gelingt, will er derzeit eigentlich keine Interviews geben – für den Checkpoint macht er vor der heutigen ersten Sitzung des neuen Präsidiums eine Ausnahme. Und findet durchaus klare Worte.

Herr Bernstein, Sie sind als „Kind der Kurve“ überraschend zum Präsidenten gewählt worden. Können nur noch die Fans die Hertha retten?
Interessant, dass Sie das überraschend finden. Finde ich jetzt nicht. Genauso wie mein Team war ich fest überzeugt, dass unser extrem auf blau-weiße Inhalte bezogenes Konzept, der allgemeine Wunsch zum Neustart sowie unser Fokus auf die Kompetenz der Mitglieder den Ausschlag geben würden. Und was die Hertha-Fans angeht: Blau-Weiße Initiativen wie „1892hilft“, „Aktion Herthakneipe“, „Blau-Weißes Stadion“ und „Spendet Becher – Rettet Leben“ zeigen, wie sehr sich Herthanerinnen und Herthaner für ihren Verein, für die Stadt Berlin und für das Allgemeinwohl engagieren. Über solche wunderbaren Projekte sollte viel mehr geredet werden.

Sie haben angekündigt, den tief zerstrittenen Verein „von innen zu heilen“. Was werden Ihre konkreten ersten Amtshandlungen dafür sein?
Verzeihen, verstehen, vorwärts gehen. Eine ausgestreckte Hand für jeden Herthaner, gerade auch für jene, die mich nicht gewählt haben und vielleicht immer noch skeptisch sind, die Vorbehalte oder Ängste haben. Am Mittwoch ist die erste Sitzung des neuen Präsidiums. Wir werden uns kennenlernen, Strukturen sowie Aufgaben absprechen und damit starten, Vertrauen aufzubauen. Das gilt für alle Bereiche. Und auch für die Vergangenheit: Wir brauchen eine faire, offene, blau-weiße Abschiedskultur, das sage ich ganz übergreifend mit Blick auf meinen Vorgänger Werner Gegenbauer, den früheren Manager Michael Preetz, Führungsspieler Niklas Stark oder auch Moderatorin Lena Cassel, bekannt als Casselberger. Pal und die ganze Familie Dardai nicht zu vergessen. Pal ist und bleibt für immer eine blau-weiße Legende!

Sie sind der erste langjährige „Ultra“-Fan, der einen Fußball-Bundesligisten leitet. Wie aber wollen Sie Politik und Sponsoren in der Stadt gewinnen, etwa für ein neues Hertha-Stadion im Olympiapark?
Uff, die Ultra-Nummer. Vermutlich sollte ich in jedes Gespräch mit einem T-Shirt gehen: „Und was genau hast DU vor 16 Jahren gemacht?“ Was, meint der Checkpoint, würde das helfen? Im Ernst: Ich schätze Politiker und wirtschaftliche Entscheider so ein, dass sie nicht in diesen Kategorien denken, sondern inhaltlich agieren. Auch und gerade beim Hertha-Stadion.

Herthas umstrittener Investor Lars Windhorst hat nach Ihrer Wahl gesagt: „Es kann ja nur besser werden als früher.“ Wie wollen Sie es schaffen, das Verhältnis zwischen Verein und Investor zu befrieden – zumal ja viele aktive Fans generell gegen Investoren sind?
Herr Windhorst ist Realität bei Hertha BSC. Ich habe ihn schon kennengelernt, wir haben uns intensiv ausgetauscht. Ich glaube fest daran, dass es einen Weg geben kann, der Hertha BSC und den Investor zufrieden stellt.

Wie soll Hertha in zwei Jahren aussehen, damit Sie sagen: Ich war ein erfolgreicher Hertha-Präsident. Soll der Verein dann doch noch ein „Big City Club“ sein oder etwas ganz anderes?
Erfolgreicher Präsident in zwei Jahren – geht es bitte eine Nummer kleiner? In zwei Jahren, so hoffe ich, werden wir deutliche Fortschritte sehen. Zufriedene Mitglieder auf einer langweiligen Mitgliederversammlung – das wünsche ich mir. Zufriedene Mitglieder, die spüren, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Schnelle Checkpoint-Analyse: Eine langweilige Mitgliederversammlung bei Hertha BSC – so ambitioniert ist wohl noch kein Vereinspräsident gestartet.