Soforthilfe: Bund droht dem Senat mit Rückforderung
der Bremerhavener Fischgroßhändler Ulrich Nußbaum angelt mal wieder im Trüben. Dieses Mal: im Berliner Sumpf. In Ausübung seines Hobbys als Beamter im Wirtschaftsministerium vermutet er, dass viele, viele Millionen Corona-Soforthilfe in Berlin versickert sind – das hat er jedenfalls seinem Nachfolger im Amt des Berliner Finanzsenators Matthias Kollatz und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop geschrieben. Grundlage für den Verdacht ist eine Rechnung, die Absolventen des Kurses „Mathe mit dem Checkpoint“ mühelos nachvollziehen können: Berlin bewilligte demnach 210.000 Anträge, laut Nußbaum gab es aber maximal 170.000 Antragsberechtigte. Jetzt droht der Bund dem Senat mit „signifikanten Rückforderungsansprüchen“.
Zwischen 9.000 und 15.000 Euro Soforthilfe konnten Soloselbstständige und Kleinstunternehmen erhalten – und die IBB zahlte schneller aus, als die Antragsteller ihr Konto checken konnten. Jetzt soll der Senat möglichen Missbrauch prüfen. Nicht berechtigt waren:
a) Vereine oder andere, „die nicht wirtschaftlich und dauerhaft am Markt tätig sind“.
b) Antragsteller, die mit der Soforthilfe „Kosten der privaten Lebensführung“ beglichen haben.
c) Antragsteller, die von der Corona-Krise wirtschaftlich gar nicht betroffen waren.
d) Antragsteller, die so ihre Personalkosten deckenwollten.
Nur Betriebskosten durften berücksichtigt werden – und das auch nur dann, wenn ein entsprechendes Betriebskonto vorlag. In Regierungskreisen hieß es gestern: „Das in Berlin ist eine Katastrophe.“ Wochenlang habe sich der Senat auf die Bitte um Aufklärung und auf Mails gar nicht gerührt – dabei hatte Berlin von allen Bundesländern die absolut meisten Genehmigungen erteilt (und war stolz darauf). Nun sei das Maß voll, es gehe immerhin um Bundesmittel – das Ganze wird ein Fall für den Rechnungshof. Nußbaum setzte dem Senat jetzt eine Frist zur Beantwortung offener Fragen bis zum 10. Juni. Kommentar aus der Bundesregierung: „Es ist typisch Berlin.“
Typisch für Berlin sind allerdings auch die Überlebenskünstler, die nicht ein Büro unterhalten, sondern die Stadt und ihre Touristen – und die ihre Einnahmen nicht auf einem Betriebskonto parken, sondern gleich Weiterreichen an den Vermieter ihrer Wohnung und den Supermarkt um die Ecke. Für die war der Lockdown ein Knockdown – und die Soforthilfe eine Art Glücksinfusion. Ohne ihre Überlebenskünstler wäre Berlin viel ärmer, als Nußbaum je berechnen könnte.