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Berlin bekommt 29-Euro-Ticket – und einen Rüffel aus dem Bund und BayernAmt darf nach Mietwagen-Schlamperei weiter wurschteln – SPD-Politiker fordert „personelle Konsequenzen“Berlin blamiert sich bei KZ-Gedenkveranstaltung

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für das 29-Euro-Ticket in Berlin ist die Bahn endgültig frei. Nachdem es zuletzt noch finanzpolitische und organisatorische Störungen im Betriebsablauf gab, steht der Fahrplan für das Abonnement: Am 23. April wird der Vorverkauf starten, wie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) höchst selbst am Dienstag mitteilte. Ohne ihren Wahlkampf würde es das umstrittene Ticket schließlich nicht geben. Ab dem 1. Juli ist die Fahrkarte dann gültig. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro, die das Land eigentlich nicht hat.

Kein Wunder, dass die Ankündigung besonders bei Berlins Dauergeldgeber Bayern nicht gut ankommt: „In Bayern können wir das Angebot im ÖPNV nur mit einem tiefen Griff in die Staatskasse aufrechterhalten, während Berlin als Hauptempfänger des Länderfinanzausgleiches quasi mit bayerischem Geld einen Gesamtrabatt für alle Fahrgäste finanziert. Das ist nur schwer nachvollziehbar und alles andere als nachhaltig“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) dem Tagesspiegel. Das gehe „letztlich auch auf Kosten des Deutschlandtickets“.

Auch der Bahnbeauftragte der Bundesregierung Michael Theurer (FDP) sieht durch den Berliner Sonderweg das Deutschlandticket in Gefahr. Dieses biete die Chance, „komplexe Tarifsysteme radikal zu vereinfachen und Strukturen in den Verkehrsverbünden zu verschlanken“, sagte Theurer dem Tagesspiegel. „Regionale Konkurrenzprodukte wie das Berliner 29-Euro-Ticket konterkarieren diese Ziele.“

Und was halten Sie vom 29-Euro-Ticket für Berlin?

Opinary/Umfrage 29-Euro-Ticket

Es ist eine Szene, die einem schon beim Lesen die Schamesröte ins Gesicht treibt und Rainer E. Klemke „ein nachhaltiges Erlebnis des Fremdschämens“ für Berlin bereitete. So schreibt es der Träger des Bundesverdienstkreuzes in einer Mail an Senatskanzleichef Florian Graf (CDU) über eine Gedenkstunde zur Befreiung des KZ Sachsenhausen am Sonntag, die dem Checkpoint vorliegt:

„Beim Aufrufen der Kranzniederleger:innen war beim Kranz des Regierenden Bürgermeisters und des Abgeordnetenhauses niemand anwesend (kein Senator, kein Staatssekretär, kein Mitglied des Ältestenrates, kein Abteilungsleiter, kein Referatsleiter...), der für Berlin für diese Zeremonie aufstand. Nach quälenden Minuten des Wartens, allgemeinem Raunen und unter der irritierten Aufmerksamkeit von mindestens zwölf Vertreter:innen ausländischer Botschaften wurde dann der nächste Kranz aufgerufen.“

Auch für die Berliner CDU-Fraktion sei niemand erschienen, ein Kranz sei genauso wenig vorhanden gewesen, schreibt Klemke, der die Gedenkstättenarbeit in Berlin entscheidend geprägt hat. Anders übrigens als bei SPD, Grünen und Linken. „Gerade angesichts des Aufwuchses von rechtsradikalen Bewegungen hätte man eher ein deutliches Bekenntnis auch der deutschen Hauptstadtpolitik bei einer solchen Gelegenheit erwartet.“ So war es eine riesige Peinlichkeit.

Der Berliner Mietwagen-Sumpf um Uber und Co. wurde zuletzt etwas trockener gelegt. Alles gut also? Mitnichten, sagt Verkehrspolitiker Tino Schopf (SPD): Wohl etliche illegale Anbieter konnten sich mit einer simplen Abmeldung ihres Dienstes vor Strafen retten. Und im Chaosbetrieb namens Landesamt für Ordnungsangelegenheiten (Labo) läuft alles weiter wie bisher. Dass die zuständigen Senatorinnen Manja Schreiner (CDU) und Iris Spranger (SPD) angesichts des Versagens beim Labo noch immer keine vollständige Revision planten, sei „nicht nachvollziehbar und fahrlässig“, schreibt Schopf in einem Brandbrief an die beiden, der dem Checkpoint vorliegt. Er forderte personelle Konsequenzen im Amt. Denn Zahl und Ausmaß der bekannten Bearbeitungsfehler seien „empörend“ und eine Erklärung, warum die Behörde „so unglaublich schlecht“ arbeitete. „Das war und ist brandgefährlich!“ Wann schreckt das auch den Senat auf?

Wir rennen nochmal schnell bei Rot über die Ampel, ehe die Autos anfahren. Die kleine Lotterie, wie viel Zeit einem als Fußgänger noch bleibt, ehe für Autos wieder Grün gilt, will die Senatsverkehrsverwaltung mit Countdown-Ampeln entschärfen. Aber kann das überhaupt gelingen? Die Verwaltung selbst verweist auf Anfrage von Niklas Schenker (Linke) nun als Grundlage auf die Evaluation eines Modelprojekts von 2011. Die Anlagen seien „aus fachlicher Sicht geeignet, die subjektive Sicherheit des Fußverkehrs zu erhöhen“, heißt es in der Antwort, die dem Checkpoint vorab vorliegt. Blöd nur, dass genau das nicht aus der Evaluation hervorgeht. In Bezug auf subjektive Kriterien heißt es da: „Es wurde keine Verbesserung festgestellt.“ Bei objektiven Kriterien übrigens auch nicht, dafür gibt es höhere Kosten. Schenker selbst sieht deshalb Rot: „Der Eindruck bestätigt sich immer mehr: Senatorin Schreiner handelt konzeptlos.“

Lust auf mehr Checkpoint? Dann holen Sie sich jetzt die Vollversion und alle Tagesspiegel-Plus-Artikel – wir bieten derzeit sechs Wochen für nur einen Euro! Damit gibt es heute außerdem:

+++ Warum die BVG den schicken Terrazzo-Bahnsteig am neuen U-Bahnhof Unter den Linden nach nur drei Jahren schon sanieren muss.

+++ Wie das dritte und letzte Mitgliederforum der Berliner SPD zur Vorsitzenden-Wahl lief.

+++ Warum die vielleicht nervigste Ampel Berlins in Moabit steht und was der Senat dagegen machen will.

+++ Wie es beim Gerichtsverfahren um den Unfalltod der auf der Frankfurter Allee ums Leben gekommenen Radfahrerin Laëtitia Graffart weitergeht.

+++ In unserer Verlosung die Chance auf zwei Premierenplätze für Richard Strauss‘ Oper „Intermezzo“ an der Deutschen Oper am 25. April.

+++ Zudem bekommen Sie dann Zugang zu unserer heutigen Leseempfehlung: Immer häufiger nutzen Einbrecher in Berlin Salpetersäure. Wie man sich dagegen schützen kann und was es zu beachten gilt, hat Kollegin Isabella Klose hier recherchiert.

Telegramm

Vom einsturzgefährdeten Haus in Schöneberg sind nicht nur die direkten Bewohner des Hauses betroffen. „Ich bin völlig vom Kundenstrom abgeschnitten“, sagt Ruth Krug von Nidda, Inhaberin der „Kindersause“ in der Grunewaldstraße 16, ein im Kiez seit Jahren beliebter Laden für Holzspielzeug und Kinderkleidung. Seit einer Woche ist die gesamte Kreuzung gesperrt, wann die Probleme am Haus behoben sein werden, ist derzeit völlig unklar. Die „Kindersause“ kann zwar weiterhin öffnen, weil der Laden nicht direkt im betroffenen Haus liegt, aber: „Die Bake steht direkt vor meinem Fenster, niemand kommt hier mehr vorbei“, sagt Krug von Nidda verzweifelt. Sie sucht nun nach neuen Räumen im Kiez, um ihr Geschäft fortsetzen zu können. Nach der wundersamen Wohnungsvermittlung in der vergangenen Woche fragen wir noch einmal in die Checkpoint-Community: Wer kann der Kindersause helfen?

Nur noch zwei Monate bis zur Europameisterschaft, Berlin bekommt langsam das Fußballfieber. Doch wo in der Stadt gibt es überhaupt noch Bolzplätze? Beim Bezirke-Ranking führt eindeutig Tempelhof-Schöneberg mit 61 Bolzplätzen (Q: Anfrage Karsten Woldeit, AfD). Reinickendorf kann kaum 22 Flächen aufbieten und versucht den Absturz ans Tabellenende mit noch fünf hinzugeholten Mini-Plätzen zu verhindern. In Treptow-Köpenick (25 Plätze) lehnt man die Rote Laterne hingegen ab und weist regelversessen auf die Weite des Begriffs „Bolzplatz“ hin: „Nach der BolzVO können ebenfalls Flächen als ‚Bolzplatz‘ gewertet werden, die auch für andere Ballsportarten als Fußball konzipiert wurden, wie zum Beispiel ein Hockeyfeld oder ein Basketballplatz.“ Spandau kassiert eine Gelbe Karte für Zeitspielen („Keine Rückmeldung“). Und dem Bezirksamt Lichtenberg ist wohl die Aufstellung abhandengekommen („Fehlmeldung“).

Im ersten Quartal des Jahres gab es in Berlin 224 antisemitische Vorfälle, wie die Innenverwaltung in einer Anfrage mitteilt (Q: Martin Trefzer, AfD). Dabei seien noch lange nicht alle bekannt gewordenen Fälle eingerechnet. Jedoch hat sich die Zahl der Delikte seit Januar (110) zuletzt deutlich verringert (36 im März). Zur grundsätzlichen Gefährdungslage gibt es eine gute Nachricht: Es lägen „keine Erkenntnisse vor, aus denen sich eine konkrete Gefährdung für jüdische und israelische Einrichtungen und Interessen in Deutschland ableiten lässt“.

Die Berliner CDU bekommt personelle Verstärkung von unerwarteter Seite: Erotikmodel Micaela Schäfer und Reality-Star Julian F. M. Stoeckel sind jetzt Mitglieder im Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf, schreibt die „Bild“. Auf Posten sind sie vorerst allerdings nicht aus. „Ich bleibe Erotikmodel und möchte meinen Job weiter ausüben“, sagt Schäfer. Dafür freut sich die CDU-Vize-Kreischefin Judith Stückler über tiefere Einblicke in Schäfers Umfeld: „Durch sie lerne ich die Kulturszene besser kennen.“

Nachtrag zum Warten auf den Schwerbehindertenausweis (Checkpoint von Montag): Die Bearbeitungszeit für die Erstfeststellung einer Schwerbehinderung beträgt laut Lageso derzeit 148 Tage (Neufeststellungen: 195 Tage). Bei den Ausweisen an sich sei man aktuell bei den Anträgen von Ende Februar 2024. Das scheint leider weder unserer Leserin von Montag zu helfen, noch dem anderen Leser, der sich daraufhin gemeldet hat: „Meinen Schwerbehindertenausweis habe ich letztes Jahr im Dezember nach über zweieinhalb Jahren Wartezeit erhalten, den Ausstellungstermin hat das Amt dann auf Dezember 2021 zurückdatiert.” Checkpoint-Tipp: Melden Sie Erkrankungen doch einfach pro forma an – dann stünden Sie im Fall der Fälle schon auf der Liste.

Nach den Osterferien haben auch Berlins Raddiebe ihre Arbeit wieder voll aufgenommen. 288-mal schlugen sie berlinweit in der vergangenen Woche zu und verursachten einen Schaden von 365.499 Euro. In den Tagen nach Ostern waren es 184 Räder. Richtig teuer wirds für den Besitzer eines Fahrrads, das Diebe in der Behaimstraße stahlen. Diebstahlwert: 10.000 Euro. 2024 klauten Diebe bisher 4564 Räder im Wert von 5.864.837 Euro. Das geht aus einer Checkpoint-Auswertung von Daten der Berliner Polizei hervor.

Zitat

„Der Haushalt bewegt sich am Limit.“

Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zum Berliner Haushalt

 

Kiekste

Netter Versuch, aber wir sind hier immer noch in Kreuzberg, Glogauer Straße jenau jesagt! Dank fürs Adlerauge an Leser Assis Salihi! Weitere (mehr oder weniger) aufgeräumte Berlin-Bilder erreichen uns jederzeit per checkpoint@tagesspiegel.de! Mit Ihrer Zusendung nehmen Sie aktuell an unserem KIEKSTE-Wettbewerb in Kooperation mit DASBILD.BERLIN teil.

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Berliner Gesellschaft

Geburtstag – „Moinsen Biens, du warst und bist die Beste! Unserem kleinem Quercornetto wünschen wir zum 27. Geburtstag die allerfettesten Nüsse! Mama, Papa, Juli und der Berda-Baum grüßen nach Moabit!“ / Maurice Covic (27), Mittelfeldspieler bei Hertha / Kim Fisher (55), Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin („Riverboat“) / „Wünsche für ein wundervolles, sonniges und spannendes neues Lebensjahr für Gischen und Juttchen, die liebenswertesten Crosshill-Zwillinge, kommen von um die Ecke und zwei Stock tiefer“ / Klaus-Dieter Gröhler (58), ehemals für die CDU im Bundestag / Monika Hauff (80), Sängerin (Teil des Gesangs- und Moderatorenduos Hauff und Henkler) / „Der bulliverliebte Europareisende Micki Hauft feiert seinen 65. Geburtstag heute mit seiner lieben Ehefrau irgendwo im schönen Spanien. Die Womo-Freunde wünschen Feliz cumpleaños mit vielen leckeren Tapas und gutem Wein und für die Weiterfahrt noch schöne Radstrecken, gutes Essen und interessante Orte“ / Dr. Stefan Rasche (57), „Kunsthistoriker und Galerist“ / Rolf Schneider (92), Schriftsteller („Frühling im Herbst“), Regisseur und Journalist / Anja Silja (84), Opernsängerin (Sopran) / Jörg Stroedter (70), für die SPD im Abgeordnetenhaus / David Wagner (53), Schriftsteller („Welche Farbe hat Berlin“)

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Jan Biedermann, * 2. August 1973 / Jürgen Flemming, * 4. April 1941 / Holger Hoffmann, Berliner Wasserbetriebe / Ingrid Lorenz, geb. Hoffmann, * 17. Juli 1938 / Dr. Gerhard Mues, 15. Juli 1935 / Bernd Reimer, * 20. Februar 1943, Studiendirektor i.R. / Gunther Solowjew, * 29. März 1933

Stolperstein – An Hilda Monte (geb. Meisel, Jg. 1914) erinnert ein Stolperstein in der Wilmersdorfer Landhausstraße 3. Schon mit 15 schrieb sie für die Zeitschrift des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes. Ab 1933 lebte sie in London und versuchte von dort, Kontakt zu Mitgliedern des Widerstands aufzunehmen. Zudem reiste sie mehrfach nach Deutschland, u.a. um Nachrichten zu übermitteln. 1944 versuchte sie wiederholt, von der Schweiz nach Deutschland zu gelangen – um den 17. April 1945 wurde sie dabei von einer deutschen Patrouille an der Grenze erschossen.

Encore

Hach, Berlin: In Oberschöneweide hat die Polizei am Sonntag am frühen Abend einen Mann angehalten, der mit einem E-Schlauchboot über die Spree getuckert ist. Leider war das Boot geklaut, gab der Kapitän zu – und Bier habe er auch getrunken. Ach so, und das Speed in seiner Tasche? Davon habe er vor der Fahrt ebenfalls etwas konsumiert. Ganz normaler Berliner Sonntag. Und da soll sich noch jemand wundern, warum Berlin eine Assistenz in der „Personendosismessstelle (Routineauswertung)“ sucht? Ach, dabei geht’s ausnahmsweise gar nicht um Drogen, sondern um Strahlenschutz. Naja, verstrahlt sind hier ja sowieso fast alle.

Zum Strahlen gebracht haben diesen Checkpoint Beiträge und Recherchen von Florian Schwabe, Daniel Böldt, Anke Myrrhe und Lotte Buschenhagen (Stadtleben) sowie die Produktion von Lea-Marie Henn. Morgen hält hier Stefan Jacobs den Geigerzähler ans Stadtgeschehen. Machen Sie‘s gut!

Ihr Christian Latz

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