es ist eine Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte: Im Deutschen Bundestag kam gestern erstmals eine Mehrheit nur mithilfe der AfD zustande. Die teils rechtsextreme Partei stimmte genau wie die FDP dem von CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz eingebrachten Antrag für eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik zu. Darin fordert die Union unter anderem ein „faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen“ sowie alle ausreisepflichtigen Menschen in Haft zu nehmen. Viele Experten halten diese Vorschläge für europarechts- und verfassungswidrig.
Die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der Berliner CDU, Monika Grütters, blieb der Abstimmung fern und zeigte sich gestern Abend schockiert. „Ich ertrage diese Nähe zur AfD nicht“, sagte sie dem Tagesspiegel nach der historischen Abstimmung. „Für mich ist eine rote Linie überschritten.“ Insgesamt nahmen acht Unionsabgeordnete nicht an der Abstimmung teil. Neben Grütters auch der Berliner CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann. Beide treten bei der Wahl am 23. Februar nicht erneut an.
Auch im Berliner Abgeordnetenhaus wird die gemeinsame Abstimmung von CDU, AfD und FDP heute die Debatten prägen. In der „Aktuellen Stunde“ diskutieren die Abgeordneten auf Antrag der Linksfraktion zum Thema „80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz: Die Brandmauer gegen Faschismus und Rechtsextremismus darf nicht fallen“.
Berlins SPD-Chefin Nicola Böcker-Giannini fand bereits gestern deutlich Worte Richtung ihres Koalitionspartners. „Dieser Merz-Bruch der CDU ist ein dunkler Tag der Demokratie in Deutschland“, sagte Böcker-Giannini dem Checkpoint. Wenn es Kai Wegner ernst meine mit der Abgrenzung zur AfD, „muss er seinen Parteichef und Kanzlerkandidaten nun deutlich zur Vernunft rufen“.
Kai Wegner reagierte auf eine Anfrage des Checkpoints gestern Abend nicht. Spätestens heute im Parlament wird er Stellung beziehen müssen. Noch 24 Tage bis zur Bundestagswahl.
Die Migrationspolitik bleibt auch im Land Berlin umstritten: Die schwarz-rote Koalition plant, die Geflüchtetenunterkunft auf dem Tempelhofer Feld deutlich zu erweitern. Bereits jetzt leben in den Hangars des ehemaligen Flughafen-Gebäudes sowie in den umliegenden Containern mehr als 2000 Menschen. Nun sollen noch einmal neun dreistöckige Container für rund 1000 Menschenhinzukommen, wie aus einer Anfrage der Grünen-Abgeordneten Jian Omar und Julian Schwarze an die Sozialverwaltung hervorgeht.
„Der Senat scheint aus den Zuständen in der Großunterkunft Tegel nichts gelernt zu haben“, sagt der Grünen-Abgeordnete Omar meiner Kollegin Anna Thewalt mit Blick auf Missstände in der Großunterkunft, in der aktuell knapp 4000 Menschen untergebracht sind. Berlin drohe „ein zweites Tegel“, so Omar. Alle Details zu dem Vorhaben können Sie hier nachlesen (T+).
Der Plumpsack geht um im Abgeordnetenhaus: Der Fraktionswechsel des Ex-Linken-Politikers Sebastian Schlüsselburg zur SPD löst ungeahnt viel Bewegung im Parlament aus. Weil die SPD nun einen Platz mehr und die Linke einen weniger hat, verändert sich auch die Berechnungsgrundlage für die Sitzverteilung in den Fach-Ausschüssen. Allein die Linke würde Sitze in drei Ausschüssen verlieren.
Glück im Unglück für die Partei: Die CDU würde zwar zwei Sitze gewinnen, aber ausgerechnet im Innenausschuss einen an die SPD abgegeben müssen. Um das zu verhindern, wollen CDU, SPD und Linke nach Checkpoint-Informationen nun die Gesamtanzahl der Mitglieder in den betroffenen Ausschüssen erhöhen, sodass keine Fraktion einen Sitz an irgendjemanden verliert. Grüne und AfD sind von den Änderungen ohnehin nicht betroffen.
Seit vielen Jahren beklagen sich etliche Senatsverwaltungen über die Anfragen-Flut aus dem Parlament. Gebracht hat das offensichtlich nur wenig: Im Jahr 2024 gingen exakt 3529 Anfragen an die elf Fachverwaltungen ein, 173 mehr als im vergangenen Jahr.
Die Argumente dazu wurden schon oft ausgetauscht: Die Abgeordneten halten (zu Recht) ihr parlamentarisches Kontrollrecht hoch. Die Verwaltungen kritisieren den extrem hohen Arbeitsaufwand – auch durch teils sinnlose Anfragen, deren Beantwortung dennoch verpflichtend ist.
Zugegeben: Ganz abstreiten lässt sich das nicht. So wollte Frank Balzer, Abgeordneter und CDU-Chef in Reinickendorf, kürzlich von der Senatskanzlei (!) wissen, ob denn das Osterfeuer in Berlin-Frohnau in diesem Jahr stattfindet (DS 19/21200). Warum Balzer nicht einfach zum Telefon griff und die Frage seiner Nachfolgerin im Amt, der Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) stellte, bleibt sein Geheimnis.
Checkpoint-Vermutung: Balzer wollte mit dieser Anfrage bereits im Januar seinen Rekord aus dem Vorjahr übertreffen. Die Osterfeuer-Anfrage war bereits seine zweite in diesem Jahr, im vergangenen Jahr stellte Balzer eine einzige Parlamentsanfrage (DS 19/19456).
Mehr exklusive Berlin-News gibt’s in der Checkpoint-Vollversion. In dieser erfahren Sie heute unter anderem, warum der Ex-Linken-Politiker Sebastian Schlüsselburg möglicherweise weiterhin viel Geld an seine ehemalige Partei überweisen muss und wie es mit dem „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ weitergeht.
Wie immer gibt es in der „Checkpoint Langstrecke“ auch den weltbesten Berlin-Comic „Berliner Schnuppen“, jeden Tag gezeichnet von Naomi Fearn. Bis zum 28. Februar lesen Sie die Checkpoint Langstrecke, alle Bezirksnewsletter und alle Plus-Inhalte auf tagesspiegel.de für nur 1 Euro.Hier geht es zum Angebot.
Telegramm
Der Influencer Atallah Younes schoss in der Silvesternacht augenscheinlich gezielt eine Rakete in eine Wohnung und filmte sich dabei. Nun hat der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie wirft Younes versuchte schwere Brandstiftung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vor. Ihm droht bei Verurteilung eine Haftstrafe.
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) will das Saubere-Küchen-Gesetz wieder abschaffen. Auffallen würde das wohl kaum jemanden. Das von Rot-Grün-Rot kurz vor der Wahl 2021 eingeführte Gesetz, das bunte Transparenzbarometer zur Hygiene an Restaurants vorschreibt, wird von den Bezirken ohnehin nicht umgesetzt.
Heute entscheidet der Landeswahlausschuss über Beschwerden gegen die Zulassung von Direktkandidatenin den Berliner Wahlkreisen. Insgesamt neun Beschwerden richten sich gegen die Zurückweisung von Kreiswahlvorschlägen. Die meisten davon stammen von der Partei „dieBasis“. Eine Beschwerde richtet sich jedoch auch gegen die Zulassung einer Kandidatin. Dabei geht es um die Grüne-Kandidatin in Pankow, Julia Schneider, die der Kreisverband kurzfristig anstelle von Stefan Gelbhaar ins Rennen schickte.
Große Trauer im Berliner Zoo: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist dort Elefantenbulle Victor überraschend gestorben. Das Tier kam 2000 nach Berlin und war mit einem Gewicht von fast fünf Tonnen „das mit Abstand schwerste Tier im Zoo“, wie Zoodirektor Andreas Knieriem mitteilte.
Große Freude dagegen beim NABU: Die Zahl der Fledermäuse in einem Winterquartier in Spandau hat sich im Vergleich zum letzten Winter fast verdoppelt. Dass sich die Gäste sichtlich wohlfühlen, zeigte auch ein Kontrolltermin der NABU-Fachgruppe „BatCity”. Die Mitarbeiter konnten Fledermäuse bei der Paarung beobachten. Das bekomme man „nur sehr selten zu sehen“, freute sich Rainer Altenkamp, Vorsitzender des NABU Berlin. Was wiederum sicher sehr im Sinne der Fledermäuse ist.
Kurz vor der Bundestagswahl schreibt das Bezirksamt Pankow eine neue Leitung für das Bezirkswahlamt aus. Ende der Bewerbungsfrist: 16. Februar, exakt eine Woche vor der Bundestagswahl. Wird das nicht ein bisschen knapp? Das Bezirksamt gibt Entwarnung: Die bevorstehende Wahl sei von der Ausschreibung nicht betroffen. „Alle Aufgaben werden durch die bisherigen etablierten Strukturen (wie schon in den vorherigen Wahlen) vollumfänglich wahrgenommen”, heißt es auf Anfrage. Wir hoffen, dass mit „vorherigen Wahlen“ nicht das Jahr 2021 gemeint ist.
Auch die „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ sucht eine neue Leitung. Doch auch hier: Kein Grund zur Aufregung. „Die Ausschreibung ist ein ganz normaler Vorgang, da ich zum Ende des Jahres in den Ruhestand gehe (Jahrgang 1957). Es gibt keinen anderen Hintergrund”, schreibt der derzeitige Leiter Johannes Tuchel. Der Checkpoint wünscht alles Gute! Zur Ausschreibung geht’s hier.
Große Jubiläen werfen bekanntermaßen ihre Schatten voraus. Im kommenden Jahr feiert die Berliner Feuerwehr ihr 175-jähriges Bestehen. Die Senatsinnenverwaltung will daher nun für rund 100.000 Euro eine Agentur für die Konzeption und Umsetzung einer „360°-Kommunikationskampagne“ beauftragen. Hoffentlich dreht sich da keiner im Kreis.
Zitat
„Lieber Tobi, du wirst uns fehlen. Du hast allen stets ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Genauso werden wir dich immer in Erinnerung behalten!“
Die Eisbären Berlin verabschieden sich von ihrem Spieler Tobias Eder, der mit nur 26 Jahren seiner Krebserkrankung erlag. Einen Nachruf von Benedikt Paetzholdt können Sie hier lesen.
Kiekste
Unfassbar viele Fragen tun sich auf. Leser D. Bernd stand vor dieser Friedenauer Fleischtheke. Mehr Abstruses aus Berlin gern an checkpoint@tagesspiegel.de! Mit Ihrer Zusendung nehmen Sie aktuell an unserem Kiekste-Fotowettbewerb in Kooperation mit DASBILD.BERLIN teil.
>Berliner Gesellschaft
Geburtstag – „Liebe Angela, zu Deinem heutigen Geburtstag wünsche ich Dir die herzlichsten Wünsche, auch im Namen von Deinem Sohn Torsten. Natürlich gaaanz viel Gesundheit und wohlergehen. Mögen uns noch viele gemeinsame Jahre bevorstehen, zu den bisherigen 59! Jörg + Torsten“ / Phil Collins (74), britischer Rock-/Pop-Sänger, Schlagzeuger (Genesis), Songwriter und Schauspieler, 2022 in der Mercedes-Benz-Arena / Jochen Kowalski (71), Opern- und Konzertsänger, 2004 erhielt er den Verdienstorden des Landes Berlin / Maxim Leo (55), Journalist, Drehbuchautor und Schriftsteller, von ihm stammt u.a. eine Krimi-Reihe um Kommissar Voss, der in Brandenburg ermittelt; im Wechsel mit seinem Kollegen Jochen-Martin Gutsch veröffentlichte er im Magazin der „Berliner Zeitung“ bis 2021 die Kolumne Leo/Gutsch / Falko Liecke (52), Politiker (CDU), Staatssekretär für Jugend und Familie in der Berliner Senatsverwaltung / Christa Moog (73), Schriftstellerin („Aus tausend grünen Spiegeln“), führt in Berlin das „Hotel Friedenau – Das Literaturhotel Berlin“ / Marlon Morgenstern (24), Fußballspieler, Abwehrspieler bei Hertha BSC / Katrin Mühlbach (33), Tischtennisprofispielerin (East Side Berlin), 2010 deutsche Meisterin im Doppel / Sönke Harm Pörksen (75), „Die gesamte Patchwork-Familie gratuliert und wünscht Dir alles Gute für das neue Lebensjahr – bleib weiterhin so gesund, aktiv und engagiert!“
+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++
Gestorben – Rudolf Adam, * 24. Februar 1935, verstorben am 7. Januar 2025 / Erich Kleffel, * 25. Januar 1938,verstorben im Dezember 2024 / Prof. Dr. Wolfgang König, * 10. Januar 1949, verstorben am 18. Januar 2025 / Dr. Rudolf Steinke, * 23. Dezember 1948, verstorben am 31. Dezember 2024 / Marita Stuhlemer, * 23. Dezember 1956, verstorben am 2. Januar 2025
Stolperstein – Georg Kotte (* 1888) machte erst eine Ausbildung als Verlagskaufmann, dann als Redakteur. Er war u.a. in Thüringen tätig, dann als Konzert- und Theaterrezensent in Berlin. Er war homosexuell und lebte zeitweise mit seinem Lebensgefährten zusammen. Am 14. Oktober 1938 wurde er festgenommen, vermutlich wegen seiner sexuellen Orientierung, ins Hausgefängnis der Gestapo verschleppt und tagelang misshandelt. Im Oktober 1940 kam er ins Zuchthaus Luckau, 1943 wurde er ins KZ Buchenwald deportiert und dort am 30. Januar 1944 ermordet. An Georg Kotte erinnert ein Stolperstein in der Hornstraße 11 in Kreuzberg.
Encore
Zum Abschluss ist eine Entschuldigung unsererseits angebracht. Wir vermuten, dass Sie diesen Checkpoint nicht wirklich aufmerksam zu Ende lesen konnten, weil auch Sie die Frage quälte: Findet das Osterfeuer in Berlin-Frohnau nun statt oder nicht?
Hier also die Antwort der Senatskanzlei auf die Anfrage von Frank Balzer: „Es ist der gemeinsame Wunsch des Bezirksamtes Reinickendorf und des Fördervereins der Freiwilligen Feuerwehr Frohnau e.V., im April 2025 das Osterfeuer wie in früheren Jahren zu veranstalten.“
Wir (und Frank Balzer) bleiben dran an dem Thema, versprochen!
Ein Recherche-Feuerwerk hat Christoph Papenhausen für diese Ausgabe abgebrannt. Das Stadtleben kam von Antje Scherer. Produktion: Jaqueline Frank. Morgen zündelt hier Jessica Gummersbach.
Auf bald
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