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Omikron-Berlinale rückt näherZitats-Gutachten zu Giffeys Promotionsarbeit ist öffentlichDiese Berliner:innen haben die Checkpoint-Medaillen der Woche gewonnen

Noch zwei Wochen, bis die Berlinale ihren prestigeträchtigen Teppich ausrollt – mitnichten metaphorisch, sondern ganz analog. Ein glamouröses Filmfest inmitten des Omikron-Zenits? „Wir sehen das nicht als verantwortungslos“, sagt Jens Groskopf dem Checkpoint (ganzes Interview hier). Als Corona-Manager der Kinotage hat er das Pandemiekonzept für die Festspiele entworfen: 2G plus Test oder Booster-Spritze, halbe Auslastung, Datenerfassung, FFP2-Pflicht auch im Saal. Die Berlinale 2022 wird zu 100 Prozent präsent – auch das Promi-Schaulaufen lässt sich das Fest nicht entgehen. Gibt es keinen Plan B? „Wir sind schon bei Plan C oder D!“, sagt Groskopf. „Wenn wir von Plan A ausgingen, hätten wir all diese Kontrollen gar nicht.“ Sollten jetzt noch Verschärfungen nötig werden, die nicht mehr umgesetzt werden könnten, würde das Fest aber abgesagt. „Eine Onlinevariante für den Wettbewerb gibt es nicht.“ Kino gehöre in den Saal.

Pünktlich zum Filmfest Mitte Februar wird auch in Berlin der Höhepunkt der Omikron-Infektionen erwartet. Muss das Festival wirklich sein, gerade jetzt? Jeder dürfe eine Meinung haben, sagt Groskopf. Aber: „Wir begegnen der aktuellen Variante mit drei- bis vierstufigen Hygienebarrieren. Deshalb sehen wir das in der aktuellen und absehbaren Entwicklung der Pandemie als sichere Veranstaltung.“ Dem Virus gefällt das.

Wir unterbrechen diesen Checkpoint für einen hoch-philosophischen Exkurs: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, hat einst Aristoteles fabuliert. In ordentlicher Schrift ziert das Zitat nicht nur verstaubte Grundkursordner, sondern auch die Rückseite des ersten Promotionsexposés von Bürgermeisterin Franziska Giffey (S. 47). Bitte, wie? Nach einer Klage der Initiative „Frag den Staat“ musste die Freie Universität das Zitats-Gutachten der durch Giffey beauftragten Anwaltskanzlei nun doch aushändigen. Seit gestern steht der Wälzer online: Der 200-Seiten-Anhang zeigt erstmals auch handgeschriebene Anmerkungen der Bürgermeisterin und ihrer Doktormutter Tanja Börzel. Unser Best of:

+++ „Das mit dem Zitieren oder Quellenangaben oder Diskutieren von Autorenmeinungen muß besser werden und einheitlich durchgezogen werden, so geht das nicht“ (Börzel, Foto im Gutachtenteil, S.7)

+++ „Quelle“ / „Quelle“ / „Quelle“ / „Quelle“ / „Quelle“ / „Quelle“ / „Quelle“ (Handschrift unklar, Dissertationsvorhaben, S.111f.)

+++ „Das, was wir anderen predigen, müssen wir auf uns selber anwenden / Außenpolitik <–> Binnendimension“, (Giffey, Dissertationsvorhaben / Vorstellung im Doktorandenkolloquuium, S. 125)

+++ „Hoher Anspruch wird unten nicht weiter eingelöst“ (Giffey, Feedbackgespräch mit Prof. Dr. Tanja Börzel, S. 152)

+++ „WAS SOLL ARGUMENTIERT WERDEN?“ (Giffey, Feedbackgespräch mit Prof. Dr. Tanja Börzel, S. 153)

+++ „zu deskriptiv“ / „es fehlt der analytische Teil“ / (…) „keine Zitate von Primärquellen“ / (…) „zu deskriptiv“ (Giffey, Entwurf der Dissertation, S. 179).

Auflistungen des Gutachtens bestätigen zudem dutzende Treffen von Börzel und Giffey – die Bürgermeisterin wurde keineswegs von ihrer Doktormutter alleingelassen. Ebenfalls auffällig: Das Wort „Plagiat“ kommt im Gutachten kein einziges Mal vor. Die Anwälte argumentieren, Börzel habe Giffey eine „amerikanische Zitierweise“ (s. 31) vorgegeben und aufgefordert, „problem-“, nicht „quellenorientiert“ (S. 30) zu zitieren. Die Bürgermeisterin sei daher entlastet. Dumm nur, dass auch die amerikanische Zitierweise kein Copy-Paste ohne Quellenangabe erlaubt – nur Zufall, nicht wahr?

Im ersten Exposé des Giffey’schen Promotionsvorhabens zitiert die Bürgermeisterin übrigens überhaupt nicht. Stattdessen möchte ich es nun tun – und zwar aus den Anweisungen für mein eigenes Exposé zur Bachelorarbeit, das sich gerade in Ausbrütung befindet: „Das Papier ist nach formalen Kriterien und Zitierweisen der Arbeit zu schreiben“ (ein hier anonymisierter Prof – Freie Universität Berlin).

Unsere stadtbesten Berliner:innen der Woche verraten wir Ihnen in der Checkpoint-Aboversion (im T+-Abo inklusive) – ebenso wie den Empfänger unserer heutigen Blechmedaille. Neben der neuesten Imbiss-Eröffnung des Weddings serviert Ihnen unser Wochenendspezialist Thomas Wochnik zudem Jazz-Konzert und Gratisfilme. Wenn das keinen Klick zum Abo wert ist?

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1) „Nie wieder Krieg“ heißt das neue Tocotronic-Album – Christian Schröder hat probegehört.

2) Kommt nach Corona die große Wirtschaftskrise? Fragen und Antworten zu Lieferketten, Zinsen und Aufschwung hat unsere Wirtschaftsredaktion gesammelt.

3) Falschmeldungen im Ukraine-Konflikt: Wie Russland Propaganda als Teil eines hybriden Krieges einsetzt, hat Maria Kotsev beobachtet.

Berliner Leser:innen klicken diese Woche hier:

4) Höchstens die Hälfte der Patienten sind wirklich wegen Corona im Krankenhaus: Julius Betschka und Ingo Bach über die unklare Datenlage in Berlin.

 5) Mehr als jede andere Airline: Easyjet will ab Sommer 70 Reiseziele vom BER aus anfliegen. Wohin es geht, hat Thorsten Metzner aufgeschrieben.

Cristina Marina (Produktion) hat diesen Checkpoint eingesammelt und abgeschickt. Am Montagmorgen entdeckt Lorenz Maroldt an dieser Stelle wieder die verborgenen News der Hauptstadt. Kommen Sie gut durch den Sturm!

Ihre Lotte Buschenhagen

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