„Kritik ist Majestätsbeleidigung“: Heftige interne Kritik an Berliner SPD-Chef Raed Saleh

Der langjährige Spandauer Bezirkspolitiker Jens Hofmann sieht Mobbing und eine „quasi tote“ Berliner SPD. Hintergründe und Salehs Reaktion: im Checkpoint. Von Robert Ide

„Kritik ist Majestätsbeleidigung“: Heftige interne Kritik an Berliner SPD-Chef Raed Saleh
Foto: dpa/Carsten Koall

Freund, Feind, Parteifreund. In der Berliner Politik gibt es dafür offenbar nur noch eine Steigerung: die SPD in Spandau. Hier draußen erscheint das Innenleben der Regierungspartei wie ein Knäuel aus inneren Verletzungen, immer wieder mittendrin: Parteichef Raed Saleh. Nun hat der langjährige Bezirkspolitiker Jens Hofmann, der aus der örtlichen Fraktion ausgetreten ist, seiner Partei einen in jeder Hinsicht offenen Brief geschrieben. Einige Auszüge:

- „Die Missstände in der Fraktion sind nicht Ursache, sondern nur Symptom des Zustands. Dreh- und Angelpunkt ist Raed Saleh. Er hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein Netz geknüpft, das mittlerweile nicht nur weit über Spandau hinaus reicht, sondern geradezu mafiöse Strukturen aufweist und die innerparteiliche Demokratie unterläuft.“

- „Ich habe erlebt, dass besonders kluge Genossinnen und Genossen frustriert aufgegeben haben, weil sie konsequent bekämpft, ja geradezu gemobbt wurden. Als Grund für dieses Verhalten hat oft ausgereicht, Kritik an Raed Saleh zu üben. Kritik ist Majestätsbeleidigung.“

- „Raed Saleh betont oft, wie geschlossen die Spandauer SPD hinter ihm steht. Nun ja: er hat es geschafft, eine große Gruppe von meinungsschwachen Ja-Sagern um sich zu scharen und Kritiker mundtot zu machen. Das bedeutet aber nicht, dass die Reihen hinter ihm geschlossen stehen, sondern dass die Partei quasi tot ist. Eine gute Diskussionskultur, politische Willensbildung und offene Kommunikation gibt es in Spandau nicht mehr.“

- „Raed Saleh hat das Talent eines windigen Autoverkäufers und er hat verstanden, dass er sich Mehrheiten bis in die kleinste Organisationseinheit sichern muss.“

Als zentrale Triebfeder unterstellt Hofmann den Machtwillen Salehs, Regierender Bürgermeister zu werden und Franziska Giffey nach einem möglichen Rücktritt zu beerben. Salehs Lager dagegen erklärt sich den Brief mit dem Frust von einem, der bei der Postenverteilung unberücksichtigt blieb. Saleh selbst will am Checkpoint-Telefon nur so viel sagen: „Das ehemalige Fraktionsmitglied hat sich für politische Wahlämter ins Spiel gebracht und konnte nicht berücksichtigt werden. Ich nehme die persönliche Enttäuschung zur Kenntnis.“

Dass in Salehs Umfeld viele Menschen politisch auf der Strecke bleiben, ist in der Berliner Politik kein Geheimnis. In einem Brandbrief hatten 14 der 38 Berliner SPD-Abgeordneten im November 2017 einen „Neuanfang“ der Fraktion gefordert und den Arbeits- und Führungsstil des damaligen Fraktionschefs kritisiert. Viele von ihnen wurden später zur Seite gedrängt oder zogen sich aus der aktiven Politik zurück wie Clara West aus Weißensee, In Salehs Heimat Spandau wurden Verkehrsfachfrau Bettina Domer (Details hier) sowie Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz (Details hier) abserviert. Hofmann sieht deshalb in Saleh eine Art „Oligarchen“. Aber rechtfertigt das, den aus dem Westjordanland stammenden Saleh mit Stereotypen wie „windiger Autohändler“ zu belegen? Saleh stellt dazu jedenfalls klar: „Ich hab noch nie in meinem Leben ein Auto verkauft.“