Empfehlungen für ein herzerwärmendes Winter-Wochenende in Berlin
Eine Ausstellung in Mitte lässt in Berlins queere Vergangenheit blicken. Die Sternwarte lädt zum Lernen ein. Und nach Schöneberg geht’s zum Brunchen. Unsere Tipps. Von Thomas Wochnik
„Welcher Stern ist das?“ Die Veranstaltung an diesem Samstag im Kleinplanetarium will diese Frage anhand des aktuellen Himmels beantworten. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Samstagmorgen – Wer in der Stadt spazieren geht, tritt bekanntlich mit jedem Schritt Geschichte mit Füßen. Wer das in der Nähe des Bärenzwingers am Köllnischen Park tut, dem sei daher ein Besuch der Gruppenausstellung „Into the drift and sway“ ans Herz gelegt. Thematischer Fokus ist hier vor allem die queere Geschichte der früheren Bedürfnisanstalt und umliegender Lokale, die, verschiedenen historischen Dokumenten zufolge, um 1900 eine Cruising Area gewesen ist, wo sich vor allem homosexuelle Männer trafen. Mit Arbeiten von sechs zeitgenössischen Künstler:innen spürt die Ausstellung dieser Geschichte und daran anschließenden, auch aktuellen Fragen nach.
Samstagmittag – Bekanntlich ist auch jeder Blick in die Sterne einer in die Vergangenheit, weil das Licht nun mal seine Zeit braucht, bis es die galaktische Distanz zu unserer Retina zurückgelegt hat. Wer es nicht nur romantisch findet, dass so manches Himmelsobjekt, das uns anfunkelt, längst vergangen ist, sondern auch gerne mit beeindruckendem Wissen dazu prahlt, bekommt in der Archenhold Sternwarte (Alt-Treptow 1) um 18 Uhr Antworten auf die Frage „Welcher Stern ist das?“. Der Eintritt kostet 7/5 Euro.
Samstagabend – Was bewusste Wahrnehmung und das Lesen in den Dingen mit Kunst zu tun haben, erfahren Kunstgeneigte im ACUD-Studio (Veteranenstraße 21). Ally Klein und Andrea Scrima haben Romane geschrieben, deren Plots im Orbit der Kunstwelt verlaufen, was beiden Anlass gibt, einen Abend mit dem Titel „Über den Kunstbegriff in der Literatur“ zu veranstalten. Sie lesen dazu nicht nur laut aus ihren Werken, sondern führen im Anschluss auch ein Gespräch darüber – reden hilft ja.
Sonntagmorgen – Wer viel in den Dingen um sich herum liest oder nachts in die Sterne schaut, braucht am Morgen eine ordentliche Stärkung. Die bietet z.B. die Lichtenberger Stadtfarm Herzberge (Allee der Kosmonauten 16) ab 10 Uhr in Form von frischem Fisch in verschiedenen Variationen, Gemüse, Salat und Kräutern, Snacks und Getränken to go im Hofladen. Ab 12 Uhr gibt es am anderen Ende der Stadt auch warme Suppen, Grünkohl mit Schäufele (auch vegetarisch), frisch Geräuchertes aus dem eigenem Räucherofen, Waffeln und selbstgebackenen Kuchen auf dem Kiezmarkt der Schöneberger Naumann-Küche (Wilhelm-Kabus-Str. 36). Dazu Marktstände mit Ölen, Gewürzen, Salzen, Teriyaki, Macarons, handgefertigten Taschen, Blomeyers Käse, Lichterspielen, badischen Spezialitäten und vielem mehr. Apropos Lichterspiele: Dass Neonröhren-Schriftzüge, wie sie Künstler Bruce Naumann seit den Sechzigern als Medium verwendet, mittlerweile beliebte Raumdeko und gern vergebenes Geschenk sind, auch darüber kann man gut in der Naumann-Küche nachdenken. Die Namensverwandtschaft von Künstler und Küche ist leider bloßer Zufall. Beide Märkte, Stadtfarm wie Naumann-Küche, schließen um 16 Uhr.
Sonntagmittag – Von der Vergangenheit in die Zukunft: Die Zukunft am Ostkreuz (Laskerstraße 5) sieht derzeit nicht gerade rosig aus, denn dem Konglomerat aus Kino und Freiluftkino, Brauerei, Ringtheater, Jazzbar und Galerie droht die Räumung zu Ende März 2022 – wie so vielen Kulturschaffenden der Stadt wird den Betreiber:innen der Vertrag nicht verlängert, eine Petition dagegen ist übrigens im Gange. Die bis zur Gentrifizierung andauernde Gegenwart wird noch genutzt, um zu zeigen, wie es auch anders geht, und bringen scheinbar Disparates zusammen: Etwa Folk-Musik von Amalia Chikh und Jana Berwig mit Jazz von Susi B., Augustin Lehfuss und Roz Macdonald. 16.30 bis 22 Uhr, Eintritt 10/ 7 Euro.
Sonntagabend – Zum Wochenendeende dann die Anrufung der Gegenwart in der Villa Elisabeth (Invalidenstraße 3): Der in Hamburg arbeitende New Yorker Komponist Rama Gottfried hat sich in seinem Werk Animism der Belebung skurriler Licht- und Klangobjekte angenommen. Das Ensemblekollektiv Berlin hilft ihm dabei, indem es feinfühlig virtuos mit seinen Apparaturen interagiert. Zeitgenössische Musik trifft Installationskunst trifft Puppenspiel und experimentelles Musiktheater – alles vermengt in einer Partitur, deren Musik nach kybernetischen Prozessen organisiert ist. Tickets kosten 15/10 Euro.