Überwiegend bewölkt bei höchstens 10°C

Giffey bleibt Oldenburger Grünkohl-KöniginBVV-Vorsteher fordert „Hygieneprüfung“ von NewsletterMüller: „Wir können nicht dauerhaft im Lockdown leben“

Die wichtigste Nachricht für Berlin erreichte uns gestern aus Niedersachsen – die dpa tickerte unter „Politik Aktuell“ um 13:21: „Ministerin Giffey bleibt Oldenburger Grünkohl-Königin.“ Demnach hat Oberbürgermeister Jürgen Krogmann mit der Berliner SPD-Spitzenkandidatin eine „zweite Regentschaft“ vereinbart.

Die Website „oldenburg.de“ enthüllte weitere pikante Details: So ist der Deal bereits seit Montag fix – und Giffey wird mit den Worten zitiert: „Die Regentschaft der Oldenburger Kohlmajestät für ein weiteres Jahr zu übernehmen, ist mir eine besondere Ehre.“ Inzwischen kursiert auch ein Video der entscheidenden Konferenz. Darin ist zu sehen, wie Giffey stolz die Kohlköniginnen-Urkunde in die Kamera hält und keck fragt: „Und, wie geht es meinem Grünkohlvolk?“

Dass Giffey unter diesen Umständen zugleich einen Wahlkampf in Berlin führen oder gar zusätzlich die Amtsgeschäfte im Roten Rathaus als Berliner Pfannkuchen-Prinzessin übernehmen kann, ist nur schwer vorstellbar. Wie ernst meint sie es wirklich, wenn sie sagt: „Berlin ist einfach mal geil!“ Wie viele Herzen schlagen in Giffeys Brust, wenn sie kokett deklamiert: „Es ist bekannt, dass ich meine Stadt von Herzen liebe.“ (Q: Rede vor der Berliner IHK). Ja welche denn nun? Wann belieben Ihro Königliche Kohlmajestät Franziska I. dem Volk reinen Schnaps einzuschenken?

Leider schwächelt auch ein anderer Hoffnungsträger der Hauptstadt: Hohenzollern-Dauerkarnevalist Georg Friedrich Prinz von Preußen, Ur-Ur-Enkel von Kaiser Wilhelm II., hat ein Problem mit seinem Chef-Unterhändler Jürgen Aretz. Der Ex-Staatssekretär legte sich mit unserem Potsdam-Korrespondenten Thorsten Metzner an – aber da war er schlecht beraten. Jetzt steht Aretz im Verdacht, gegenüber dem Landgericht Berlin eine teils falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Es kommentiert der Ur-Ur-Großvater seines Auftraggebers: „Tadel lähmt mich.“ Adel offenbar auch.

Hören wir einem anderen Herren zu (dem die Recherchen von unserem rechtspolitischen Korrespondenten Jost Müller-Neuhof zu seinen Millionengeschäften so auf die Nerven gehen, dass er ihm hinterherspionieren lässt):

Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim Geselligsein, zu Hause privat oder eben in der Veranstaltung...“

sprach Immobilienkönig Jens I., zurzeit im Auftrag der Bundeskanzlerin Corona-Minister, am Morgen des 20. Oktober vergangenen Jahres im ZDF. Am Abend fuhr er nach Leipzig – zum Feiern, zum Geselligsein, zu Hause privat, bei einem guten Bekannten mit 12 Jüngern, die gebeten wurden, je 9.999 Euro für die Wahlkampfkasse des CDU-Politikers zu spenden (ab 10.000 Euro müssen die Namen der Spender veröffentlicht werden). Im Gegenzug gab es Rinderfilet, Rotwein und Stehrumchen mit dem Minister – der am nächsten Tag positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde (Q: „Spiegel“). Mit Grünkohl wäre das übrigens auch passiert.

Und damit kommen wir zum alten „roten Adel – konkret: zu Rainer Bosse, dem BVV-Vorsteher in Lichtenberg. Zu Beginn der Sitzung verlas der Ex-FDJ-Funktionär (von der Stasi als „Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit“ geführt, zuletzt im DDR-Ministerium für Touristik tätig) eine Erklärung seines inneren Politbüros zur gefälligen Berichterstattung und über „guten“ Journalismus. Ihm war der „Leute“-Newsletter unseres Kollegen Robert Klages vom 22. Februar aufgestoßen wie sauer Rotkäppchen. Der Vorwurf: „Missbrauch“ der öffentlich übertragenen BVV-Videokonferenz – Klages habe „Einblicke in die Privatsphäre für vermeintlich witzige Kommentare und Zeilenschinderei“ genutzt. Er halte deshalb eine „Hygieneprüfung“ des Newsletters „für mehr als angebracht“ (eine Aufzeichnung der Rede ist hier zu sehen).

Ok, damit es nicht zum üblichen Behördenpingpong kommt, empfiehlt der Checkpoint, gleich den Stadtrat für Agitation und Propaganda mit der Säuberungsaktion zu beauftragen. Das Beweisstück haben wir bereits verhaftet, Sie können den skandalösen Beitrag von Robert Klages hier nachlesen – aber Vorsicht: Ein solcher Schmutz ist nur für Personen mit gefestigtem Weltbild geeignet.

Und hier dazu im Kontrast eine Stimme der Vernunft – es ist die von Michael Müller: „Wir können nicht dauerhaft im Lockdown leben“, sagt der Regierende Bürgermeister im Interview mit Anke Myrrhe und Julius Betschka von Team Checkpoint (hier nachzulesen). Weitere Erkenntnisse: Müller schläft fünf Stunden, spielt in den Sitzungen mit Merkel nicht Candy Crush und kann gut in den Spiegel schauen. Zu Söder fällt ihm als erstes Wort „selbstbewusst“ ein, über Friseure wurde mehr gestritten als über Schulen – und er glaubt: „Wir haben gut kommuniziert“. Außerdem: „Richtig berührend sind die Reaktionen der Älteren, die Ihre Impfung bekommen haben. Da hat man das Gefühl, diese Briefe werden unter Tränen geschrieben, vor Freude und Glück.“

Weitere Meldungen im Telegramm:

+ Neuer Corona-Bericht von TU-Professor Kai Nagel (Projekt „Modus-Covid“) – zentrale Aussagen: Schnelltests sind mit leichten Lockerungen kombinierbar, aber eine Öffnung der Innengastronomie ist „unverantwortlich“. Nagels Rat: „Die Nerven bewahren.“

+ Neues Kriminalitäts-Buch von Oberstaatsanwalt Ralph Knispel („Rechtsstaat am Ende“): „Jeden zweiten Mittwoch im Monat werden ab 17 Uhr die Rechner abgeschaltet. 13 Stunden lang haben wir keinerlei Datenzugriff im Computersystem.“ Knispels Rat (u.a.): „Den Fahrzeugpark der Polizei auf Vordermann bringen.“ (Q: „B.Z.“)

+ Erster bestätigter Corona-Fall bei Gorilla – „Peta“ fordert die Schließung des Berliner Zoos. CP-Analyse: Die Impfliste muss umgeschrieben werden.

+ Berlin war in diesem Winter (meteorologisch Dezember, Januar, Februar) das trockenste aller Bundesländer – jedenfalls in Regenmenge gemessen (beim Bier sieht das anders aus).

+ SPD-Stadtrat Gordon Lemm (Marzahn-Hellersdorf) schlägt wegen des Corona-bedingten Schichtbetriebs an den Schulen einen Sonnabendunterricht vor. Die gleiche Idee hatte die CDU im Sommer auch schon mal (und ich hatte das auch schon mal, Sonnabendunterricht – ist eine Quälerei und eigentlich ein Fall fürs Jugendamt).

Außerdem heute in der Checkpoint-Abo-Ausgabe (u.a.): Was Sie in 48 Stunden Berlin trotz Corona alles erleben können – und unser Checkpoint-Rätsel für Berlinkenner (zu gewinnen gibt’s einen exklusiven Checkpott). Außerdem mit Abo: Freier Zugriff auf alle „Tagesspiegel plus“-Texte.

Übrigens: Unsere supercoolen Checkpoint-Beutel sind wieder da – wer jetzt ein neues Abo abschließt (alle Plus-Inhalte und die Checkpoint-Vollversion mit allen Meldungen und die berühmten „Berliner Schnuppen“ von Comic-Star Naomi Fearn), bekommt einen umsonst dazu (ohne Haken, aber mit Henkel). Und das Beste: Zwei Monate kosten zurzeit nur zusammen 5 Euro (inkl. Checkpoint-Beutel; danach pro Monat 14,99 Euro, jederzeit zum Monatsende kündbar). Wir würden uns sehr freuen, Sie hier demnächst als Abonnentin oder Abonnenten begrüßen zu dürfen!

Thomas Lippold hat heute mal wieder nicht in die Sterne geschaut, sondern am Boden jeden Stein umgedreht, Florian Schwabe hat produktionstechnisch alles zusammengesetzt. Und wir sehen uns hier am Montag wieder, wenn der Checkpoint den Startschuss gibt zum großen Rennen um die Poleposition auf dem Friseurstuhl, Motto: Locke down! Bis dahin,

Ihr Lorenz Maroldt

Berlin braucht guten Journalismus!

Finden Sie auch? Unterstützen Sie uns!
JETZT GRATISMONAT STARTEN

Seit 2014 berichten wir exklusiv aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.

Das finden Sie gut? Dann unterstützen Sie uns mit dem neuen Tagesspiegel Plus-Abo! Für 14,99 € im Monat erhalten Sie den ungekürzten Checkpoint-Newsletter, den Checkpoint am Wochenende und das Beste vom Tagesspiegel im Web und in der App. Und Sie ermöglichen uns, auch weiterhin vor Ort zu sein, genau hinzuschauen und unabhängig zu bleiben. Die Anmeldung dauert nur eine Minute. Wir würden uns freuen!