Berliner Senat zwingt Honorarkräfte an Musikschulen zu Verzicht auf Festanstellung
Musiklehrer in der Hauptstadt sollen „freiwillig“ und schriftlich erklären, keine Festanstellung zu wollen – sonst bekämen sie keine Aufträge mehr. Der Landesmusikrat bestätigt die neue Praxis auf Checkpoint-Anfrage. Von Lorenz Maroldt und Jessica Gummersbach.

An den Berliner Musikschulen sind nicht nur die Instrumente verstimmt (gelegentlich), sondern auch die Honorarlehrkräfte – und zwar fortissimo: Sie sollen schriftlich erklären, „freiwillig“ auf eine Festanstellung zu verzichten, sonst bekämen sie keine Aufträge mehr (entsprechende Fälle wurden dem Checkpoint bekannt). Dahinter steckt ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2022 zur Sozialversicherungspflicht an Musikschulen – diese Kosten möchte sich der Senat ersparen.
Der Landesmusikrat bestätigte auf Checkpoint-Anfrage die neue Praxis. Seit dem Urteil habe es zudem keine einzige Festanstellung gegeben (die Bezirke sprechen von „Einzelfällen“), zurzeit laufe eine Übergangsfrist. Mit der erzwungenen Verzichtserklärung auf eine ordentliche Anstellung versucht der Senat offenbar, kurzfristig das Klagerisiko abzuwenden.
Die Gewerkschaft Verdi schrieb dem Checkpoint dazu, sie verurteile das Vorgehen und sehe darin „einen klaren Missbrauch des bestehenden Machtgefälles“. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg teilte dem Checkpoint mit: „Es kann erwartet werden, dass eine Mehrheit der Musikschullehrkräfte angestellt werden muss und wird“. Aber: „Erst wenn der Senat die Entscheidung zur Umwandlung getroffen hat, können Stellen geschaffen und ausgeschrieben werden.“ Der finanzielle Mehrbedarf wird auf 25 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Checkpoint-Prognose: Wenn der Senat seine Haltung nicht rasch ändert, wird künftig an den Musikschulen des Landes nur noch ein einziges Stück gelehrt, geprobt und aufgeführt, und zwar „4‘33‘‘ von John Cage (hier in der Fassung der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko).