Schülerinnen und Schüler erheben schwere Vorwürfe nach Gewalt an der Bergius-Schule

Andauernd schlimmer wird die Lage an der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau. Zwei Monate nach dem Brandbrief der Lehrerinnen und Lehrer wegen ständig eskalierender Gewalt ist nichts passiert – außer: noch mehr Gewalt. Diese gipfelte wie gestern hier berichtet in einer Treibjagd von fast 100 Personen auf einen Siebtklässler, der sich in einen nahen Supermarkt retten musste. Nun muss die Polizei die Sicherheit der Schule schützen, am Donnerstag patrouillierte sie am Eingang und in den Nebenstraßen. Soll das nun der neue Dauerzustand werden für eine abgestürzte Schule, die von Kindern bevölkert wird, die andernorts keinen Platz bekommen haben, oft nicht so gut Deutsch können und hier teilweise aus berüchtigten Clan-Familien kommen?

Von der Politik, die nach dem Brandbrief noch im Dienstwagen vorfuhr, kommen statt konkreter Hilfen nur konkrete Schuldzuweisungen. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zählte im Abgeordnetenhaus die überforderte Schulleiterin öffentlich an, diese habe Hilfsangebote nicht angenommen. Dabei hatte diese selbst den Hilferuf mitunterzeichnet. (Kommentar von Anke Myrrhe hier). Die Vorsitzende des bezirklichen Schulausschusses, Martina Zander-Rade (Grüne), wies die Darstellung der Senatorin als „irreführend“ und „unangebracht“ zurück. Die konkreten Hilfsbedarfe für mehr Personal in der Schule seien zwar angemeldet, aber schlicht nicht erfüllt worden.

Bei den Schülerinnen und Schülern herrscht dagegen eine ganz andere Wahrnehmung vor: Nicht wenige von ihnen beklagen ein System der Unterdrückung. So beginnt der Unterricht hier bereits um 7:30 Uhr, nicht wie an den meisten anderen Schulen in Berlin üblich um 8 Uhr oder gar 8:30 Uhr. Manche Kinder haben frühmorgens einen Schulweg von einer Stunde quer durch die Stadt, immer wieder fällt die S-Bahn aus. Wer aber nur zwei Minuten zu spät ankomme, komme nicht mehr in die Schule hinein, erzählten Schülerinnen und Schüler unserer Reporterin Saara von Alten. „Der muss klingeln und wird vom Hausmeister für den Hofdienst eingetragen.“ Zudem berichteten 30 bis 40 befragte Schülerinnen und Schüler, dass der Umgang ihnen gegenüber oft abschätzig sei, der Ton harsch, unfreundlich und zum Teil rassistisch, die Strafen bei kleinsten Vergehen seien rigide. Ausdrücke wie „Halt die Klappe“ und „Verpiss Dich“ gehörten demnach offenbar zum Ton der Lehrerschaft; die Schulleitung wollte sich dazu nicht offiziell äußern (ausführlicher Report hier).

Eine Versammlung mit allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften hat es an der Schule seit dem Brandbrief noch nicht gegeben. Zu einer Sitzung der Gesamtelternvertretung Mitte Dezember erschienen die zuständigen und eingeladenen Mitarbeiter der Schulaufsicht einfach nicht. Da muss man sich schon fragen: Wer hat in Berlin eigentlich die Aufsicht über die Schulaufsicht? Und vor allem: Warum werden Heranwachsende, die schulische und auch charakterliche Bildung nötig haben, selbst in Schulen sich selbst überlassen? Wenn der Staat seinen ureigensten Aufgaben für angemessene Bildung und ausreichende Sicherheit nicht gerecht wird, lässt er Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern allein. Und die Stadt im Stich.