Gregor Gysi im Interview: „Die DDR war eine geschlossene Gesellschaft“
Ostdeutschland bleibt in seinen Gefühlen zerwühlt. Deshalb schreiben wir weiterhin jede Woche unseren Newsletter „Im Osten“ mit aktuellen Analysen und Hintergründen über die gar nicht mehr neuen Bundesländer (kostenloses Abo hier). Und wir treffen Menschen, die den Wandel zwischen Ostsee und Erzgebirge erleben, beklagen und gestalten, zu ausführlichen Gesprächen. So auch Linkspartei-König Gregor Gysi, dessen Partei allmählich das einstige Land abhanden kommt und den ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen Esther Kogelboom und Karin Christmann im Bundestag getroffen habe. Das Interview, bei dem es munter hin und her ging, erscheint am Mittwoch im Tagesspiegel – aber Sie dürfen hier schon mal reinlesen:
Herr Gysi, verzweifeln Sie manchmal an den Ostdeutschen?
Nein. Ja.
Nein oder ja?
Ich verzweifle doch nicht an mir! Nein, bei der AfD-Wahl kommen mehrere Faktoren zusammen. Menschen in Ost und West, aber mehr im Osten, haben Angst vor der Globalisierung. Zweitens: Menschen haben auch Angst vor Flüchtlingen. Wenn du in einer geschlossenen Gesellschaft gelebt hast wie in der DDR, hast du Menschen muslimischen Glaubens in Dresden nicht kennengelernt. Drittens: Die Daffke-Haltung darf man nicht unterschätzen.
Daffke-Haltung?
Dass du jemanden ärgern willst. Du sagst: Die sagen mir, ich darf alles wählen, bloß nicht die AfD. Jetzt mache ich es gerade. Wenn die Ostdeutschen hören: Ihr seid ein brauner Fleck — es interessiert viele nicht. Sie möchten die etablierte Politik ärgern. Etabliert sind für sie inzwischen alle Parteien, von der CSU bis zur Linken.
Die ganze Zeit zu jammern, das war doch Ihr Ticket früher als Linkspartei. Darauf baut jetzt die AfD auf.
Wir haben doch nicht gejammert, hören Sie mal zu, wir haben die Probleme benannt.
Aber immer alles schwarz gemalt.
Zumindest das, was schwarz war.
Sie haben nicht auf die Frage geantwortet. Haben Sie zu viel schlecht gemacht an der Einheit, so dass die Leute die Schnauze voll haben?
Nein, die Verhältnisse bestimmen das Denken der Leute. Sie haben uns ja gar nicht mehr gewählt. Trotzdem denken sie so.
Und was denken Sie, liebe Leserinnen und Leser?