Gefälschte Aussage – Causa Gelbhaar fällt in sich zusammen
Kartenhaus Berliner Grüne: Was sich rund um den als Bundestagskandidaten geschassten Stefan Gelbhaar abgespielt hat, ist nichts weniger als eine Vollkatastrophe. Und zwar nicht nur für die Partei und die Grüne Jugend, sondern auch für den RBB, den Feminismus an sich – und für Opfer von sexueller Belästigung. Und vor allem natürlich: für Gelbhaar selbst.
Im Laufe der vergangenen Woche hat sich dank der Recherchen meiner Kollegen Alexander Fröhlich und Christian Latz herausgestellt: Die eidesstattliche Versicherung, die maßgeblich dazu geführt hat, dass Gelbhaar im Dezember seine Kandidatur für die Landesliste zur Bundestagswahl aufgab und im Januar auch seine bereits errungene Pankower Direktkandidatur wieder verlor, war wohl gefälscht. Der RBB, der auf ihrer Grundlage über die Vorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten berichtet hatte, hat inzwischen seine alten Beiträge dazu gelöscht und eingeräumt, journalistische Standards „nicht vollumfänglich eingehalten“ zu haben.
Unter Verdacht steht dafür nun Grünen-Politikerin Shirin Kreße. Sie soll laut Tagesspiegel-Recherchen unter der falschen Identität „Anne K.“ gegenüber dem RBB die eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, in der Gelbhaar sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Kreße, 27 Jahre alt, Grüne-Jugend-Gewächs und Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, legte am Sonnabend ihr Mandat und alle parteiinternen Ämter nieder und trat zugleich aus der Partei aus. Auch ihren Job bei dem Berliner Landesabgeordneten Ario Mirzaie kündigte sie. „Grund dafür ist, dass während ich mich mit den Vorwürfen, die gegen mich erhoben wurden, auseinandersetze, ich möglichen Schaden von der Partei, aber auch Betroffenen sexualisierter Gewalt abwenden möchte“, erklärte Kreße am Sonntag gegenüber der dpa.
Die Berliner Grünen stehen vor einem Scherbenhaufen. Obwohl bei jedem Vorwurf erst einmal die Unschuldsvermutung gelten muss, hat die Partei einen ihrer Bundestagsabgeordneten schwer beschädigt und möglicherweise seine politische Karriere zerstört – wie sich nun herausstellt, ohne angemessene Grundlage. Als feministische Partei müssten die Grünen sich aber auch fragen, kommentiert Christian Latz, warum sie mit viel weniger schwerwiegenden, nicht strafrechtlich relevanten Geschichten, die es zu Gelbhaar auch gibt, keinen angemessenen Umgang gefunden hätten – bevor die Sache so eskalieren konnte.