Ende der Berlin-Blockade: Was der Tagesspiegel schrieb

Historisch geht’s weiter: Heute jährt sich zum 76. Mal das Ende der sowjetischen Blockade von West-Berlin, das bis dahin 322 Tage lang aus der Luft versorgt worden war. Wie hat sich das angefühlt? „Keiner, der nicht beim Aufwachen zuerst nach dem Lichtschalter gegriffen hätte“, schrieb Egon Bahr, Journalist und spätere SPD-Legende, am Tag darauf im Tagesspiegel. „Es gab Strom. Draußen schien die Frühlingssonne. Trotzdem, man ließ die Glühbirne ein Weilchen leuchten, man kniff sich auf diese Weise gewissermaßen in den Arm, ob man nicht noch träumte. Das gleiche Experiment machte der Nachbar mit dem Radioapparat. An, aus, an.

Und weiter: „Es gab viel Lärm gestern in Berlin. Von Straßenbahnen, die in rostig gewordenen Schienen fuhren, über Gras hinweg, das in elf Monaten auf manchem Gleiskörper gewachsen war. Lärm von Lastzügen, die über den Kaiserdamm rollten. Rascher als die Erwachsenen wußte die Jugend mit lange nicht gesehenen Nummernschildern Bescheid. BH – der kommt aus Hamburg. Hinter jeder Zeltplane vermutete man Apfelsinen, der Pfiff einer Lokomotive trimmerte uns Ruhrkohle, alle Auslagen erschienen einem bereits üppiger. ,Braunschweiger Würste eingetroffen‘, pinselte ein Geschäftsmann quer über seine Ladenscheibe. Man schlenderte durch die Straßen, gesellte sich einer der vielen Gruppen zu, die von drei Uhr an fast alle das gleiche Ziel hatten: Schöneberg Rathaus.“

Hunderttausende versammelten sich auf dem damaligen Rudolph-Wilde-Platz und in den Seitenstraßen, um dem West-Gast Konrad Adenauer zuzuhören, aber besonders Oberbürgermeister Ernst Reuter – und seiner kommissarischen Vorgängerin Louise Schroeder, die von der Menge erspäht und gedrängt wurde, auch ein paar Worte zu sagen. Besonders herzlichen Beifall erhielt Reuter laut Bericht für die Worte: „Den Trockenkartoffeln wollen wir Adieu sagen, nicht auf Wiedersehen!“ West-Berlin feierte das Ende einer Elendszeit.