Warum der Mord an der Berlinerin Maryam H. kein Einzelfall ist

Maryam H. wurde 34 Jahre alt – und wahrscheinlich von ihren Brüdern getötet. Deren kultureller Hintergrund heißt vor allem: Patriarchat. Ein Kommentar. Von Julius Betschka

Warum der Mord an der Berlinerin Maryam H. kein Einzelfall ist
Demonstrantin in Berlin zum Internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen (25.11.2018). Foto: Christian Mang/Imago

Der Fall erinnert an Hatun Sürücü: Die Berlinerin Maryam H. wurde 34 Jahre alt, ermordet wohl von ihren eigenen Brüdern. Weil die aus Afghanistan stammende Frau nicht so leben wollte, wie es zu sein hatte. Weil sie das Kopftuch nur dann trug, wenn ihre Brüder sie in der Berliner Flüchtlingsunterkunft aufsuchten. Zwölf solcher sogenannten Ehrenmorde, schätzt das Bundeskriminalamt, gibt es pro Jahr. Ein Drittel, das ergab eine ältere Studie, sind Männer – weil sie schwul sind oder selbst eine Tötung verweigern. Jetzt streitet die Berliner Politik darüber, ob das Ganze als Femizid zu bezeichnen ist – die Tötung von Frauen wegen des Geschlechts – wie er täglich in Deutschland versucht wird und allein durch (Ex-)Partner jeden dritten Tag gelingt. Oder ob sogenannte Ehrenmorde gesondert eingeordnet werden müssen, um sie zu verhindern.

Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) lehnt den Begriff ab: „In der Öffentlichkeit wird vom sogenannten Ehrenmord gesprochen. Dieser Begriff ist unpassend, darin steckt die Rechtfertigung der Täter. Bei Mord gibt es keine Ehre“, sagte sie am Montag. SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey antwortete: „Ihr wurde aus verletztem Ehrgefühl das Leben genommen, weil sie so lebte, wie sie es wollte. Es muss klar benannt werden, dass das nichts anderes ist als ein schrecklicher Ehrenmord“, erklärte Giffey.

Wie auch immer man eine solche Tat benennt: Ändern muss sich vor allem, dass Gerichte bei der Tötung von Frauen – ob als Ehrenmord, „Familiendrama“ oder Femizid bezeichnet – noch immer strafmildernd den „kulturellen Hintergrund“ oder „Verbrechen aus Leidenschaft“ anführen. Männer besitzen Frauen nicht. Zumindest in diesem Gedanken gleichen sich aber alle Täter, egal, wo sie herkommen. Ihr kultureller Hintergrund heißt vor allem: Patriarchat. Das muss immer benannt werden, nicht erst (aber auch dann), wenn „Ausländer“ Frauen töten. Das Problem auszulagern, macht es nicht besser.