Berliner Senat mit „CSU-Style”

Hartes Ausgehverbot und „Rechtfertigungszwang der Bürger”: Bürgerrechts-Sprecher und Anwaltsverein kritisieren die Regelungen zur Kontaktsperre in der Hauptstadt. Von Julius Betschka

Berliner Senat mit „CSU-Style”
Foto: Oliver Baumgart/imago

Zur Verwirrung hat der Senat leider auch selbst beigetragen. Die am Sonntag per Verordnung verhängte Daheim-Bleibe-Pflicht lädt zu freiem Interpretieren ein. So titelte etwa t-online am Mittwoch: „In Berlin darf man nicht mal mehr allein im Park sitzen”. Das ist laut Senatssprecherin Melanie Reinsch (CP von gestern) zwar nicht ganz richtig (kurz sitzen bleibt erlaubt), aber laut der beschlossenen Verordnung eben auch nicht komplett falsch (eigentlich ist nur Bewegung im Freien erlaubt). Verständlich? Jein.

Was die Berliner Regelung so kompliziert macht: Sie verbietet das Draußensein, räumt aber zahllose Ausnahmen ein (einen Überblick finden Sie hier). In den meisten anderen Bundesländern ist der Aufenthalt auf der Straße noch gestattet, wenn man bestimmte Regeln beachtet. Berliner müssen sich hingegen jederzeit rechtfertigen und ausweisen können, wenn sie ihre Wohnung verlassen. Wirksam vielleicht, juristisch aber heikel.

Wir setzen uns jetzt – kurz – für eine Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, die dem Checkpoint vorliegt. Zwar sei unbestritten, heißt es darin, dass „weitreichende Beschränkungen des sozialen Lebens” erforderlich sind. „Ein generelles Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen, ist dagegen mit dem Leitbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren.” Insbesondere die Berliner Regelung wird kritisiert: „Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht gezwungen werden, sich gegenüber der Polizei dafür zu rechtfertigen, warum sie von grundlegenden Freiheiten Gebrauch macht.” Es sei nicht hinnehmbar, gegenüber der Polizei darlegen zu müssen, warum man einen Arzt oder Rechtsanwalt aufsuchen müsse.
Das sitzt.

„Diesen CSU-Style hätte ich Rot-Rot-Grün gar nicht zugetraut", sagt Bernd Schlömer, FDP-Sprecher für Bürgerrechte, dem Checkpoint. Nur in Bayern ist die Regelung ähnlich streng. Die Berliner Lösung führe zu einem „Rechtfertigungszwang der Bürger, den ich kritisch sehe”, sagt Schlömer (genau wie Ex-Innenminister Gerhart Baum). Dass Kontaktverbote in dieser Lage grundsätzlich nötig sind, bezweifelt Schlömer nicht. Auf das Wie kommt es an.