Aufarbeitung der Berliner Silvesternacht: Das Feuerwerk der altbekannten Reaktionsmuster

Ressentiments beherrschen derzeit die Diskussion über die Gewalt in der Berliner Silvesternacht. Damit verschärft man jedoch die soziale Spaltung. Ein Kommentar. Von Nina Breher.

Aufarbeitung der Berliner Silvesternacht: Das Feuerwerk der altbekannten Reaktionsmuster
Foto: dpa/Fabian Sommer

Keine Woche hat es nach den Silvesterkrawallen gedauert, bis Politik und Öffentlichkeit sich im Abspulen altbekannter Reaktionsmuster verheddert haben. „Böllerverbot!“ fordern die, die sowieso gegen die Feuerwerke sind, „Body- und Dashcams!“ ruft Innensenatorin Spranger (SPD), als für die Sicherheitskräfte Zuständige natürlich an deren Ausstattung interessiert. „Failed state Berlin!“ hallt es derweil aus den Alpen (Söder im „Spiegel“: „wieder typisch Berlin!“; defund Berlin!, fordert CSU-Chef Dobrindt). „Brennpunkt Neukölln!“ nicken sich die zu, die sich an Rütli-Schule und Co. erinnern; „Migrationsproblem!“ meinendie, die nur auf den richtigen Moment gewartet haben, mit ihren Ressentiments Politik zu machen.

Ließe man all das beiseite, könnte die Silvestergewalt Anlass werden, endlich das eigentliche Problem zu besprechen – oder es gar zu verringern: die massive soziale Ungleichheit in Berlin und daraus resultierende Frustration. Die High-Deck-Siedlung, ein Gewalt-Schwerpunkt der Silvesternacht, ist zugleich der Kiez mit den berlinweit meisten Hartz-IV-Empfänger*innen (56,4 Prozent) – und der niedrigsten Wahlbeteiligung (48 Prozent, Datenanalyse hier). Es ist, als signalisierten die Menschen: Die Politik vertritt uns sowieso nicht. Die Silvester-Gewalt ist nicht zu entschuldigen. Aber das darf nicht dazu verführen, den Kontext der Geschehnisse zu ignorieren: Armut, Ausgrenzung, soziale Perspektivlosigkeit. Politische Ziele, die damit nichts zu tun haben, ließen sich auch an anderer Stelle einbringen. Bodycams und Böllerverbot zum Beispiel. Und dass klischeehafte Ressentiments gegen Bevölkerungsgruppen die soziale Spaltung eher verstärken als abschaffen, sollte sich von selbst verstehen.