Muss die Mauer wieder her? Debatte um Zuzugstopp in Berlin
muss die Mauer wieder her? Freiheit hat ihre Grenzen und Berlin scheint langsam voll – zumindest, wenn man den Worten diverser Landespolitiker glaubt. Während die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg weniger Ausgaben für Tourismus-Werbung forderte, startete CDU-Mann Christian Gräff am Donnerstagabend die nächste Nicht-Willkommensoffensive. „Wir müssen denen, die hierherkommen sagen: Macht euch keine falschen Erwartungen. Wir haben die Infrastruktur nicht. Ihr könnt hier nicht herziehen“, sagte er dem RBB und berlinmauerte – um die ersten Steine dann schon am Freitagvormittag wieder abzureißen. Kein Wunder: Sowohl Landeschef Kai Wegner als auch Fraktionschef Burkard Dregger und Generalsekretär Stefan Evers distanzierten sich umgehend und deutlich, bezeichneten den Aufschlag als „Einzelmeinung“, die in der Partei „niemand sonst“ teile.
In einer Nachricht an die CDU-Fraktion schreibt Gräff: „Liebe Freunde, ich bedaure die Irritationen die meine Äußerungen ausgelöst haben! Ich selbst gehöre zu der Generation, die Nutznießer der Freiheit ist, die wir in unserer Stadt seit knapp 3 Jahrzehnten haben. Neue Mauern und Abschottung sind jenseits meiner Vorstellungskraft und politischen Visionen! Mir ging es einzig und allein darum, auf zugespitzte Weise die eklatante Ignoranz und das Versagen von r2g bei den Themen Wohnungsbau, Bildung und Infrastruktur zu thematisieren. Es tut mir sehr leid, wenn dies in meiner Kommunikation misslungen ist. LG Christian“
Kurz zuvor schrieb an Gräff Fraktionschef Burkard Dregger: „Lieber Christian, Du musst heute Vormittag selbst eine klarstellende Erklärung abgeben, so wie wir das schon gestern Abend besprochen haben. Herr Wedekind unterstützt. Du verlierst sonst das Vertrauen der Fraktion und der Wohnungswirtschaft. Ich rate es Dir dringend an. BG Burkard“
„Berlins Freiheit, sie braucht Möglichkeiten, Platz, Mut und einen Rahmen. Was sie nicht braucht: Grenzen", kommentiert Checkpoint-Chef Lorenz Maroldt heute im Tagesspiegel. Die weiteren Reaktionen reichen am Freitag von Kritik über Kritik bis hin zu Kritik. Ein Überblick:
„Die Äußerungen zu Zuzug und zur Einschränkung von Tourismus schaden unserer Stadt.“ (Michael Müller, Regierender Bürgermeister / SPD)
„In Berlin ist die Mauer vor 30 Jahren nicht eingerissen worden, um sie heute wieder aufzubauen.“ (Ramona Pop, Wirtschaftssenatorin / Grüne)
„Mit dem Abschottungsvorschlag à la DDR hat sich die CDU als seriöse Berlin-Partei verabschiedet. Probleme werden nicht mit einem Stoppschild an der Stadtgrenze gelöst.“ (Sebastian Czaja, Fraktionschef FDP)
Selbst die AfD fordert offene Grenzen.
Wer fehlt? Die Linke. Via Twitter fragt Ex-Staatssekretär Tim Renner: „Nehmt ihr den Christian Gräff jetzt bei Euch in der Fraktion auf?" Keine Antwort. Wir reichen die Frage an dieser Stelle gerne nochmal weiter. Über Rückmeldungen freuen wir uns: checkpoint@tagesspiegel.de.
Den Soundtrack des Tages liefert derweil Marius Müller-Westerhagen: „Freiheit, Freiheit / Wurde wieder abbestellt", „Freiheit, Freiheit / Ist das einzige, was zählt“ – und jetzt kommt (auch für alle Zugezogenen und Touristen) die Stelle zum Tanzen!