Straßenumbenennung in Steglitz-Zehlendorf: CDU-Wahlkämpfer lässt Checkpoint-Leser „fassungslos“ zurück
Ein Gespräch an einem CDU-Wahlkampfstand schockiert einen Checkpoint-Leser: Thema war die Umbenennung einer Straße, die zuvor nach dem Antisemiten Heinrich von Treitschke benannt wurde. Von Margarethe Gallersdörfer.

Was ist eigentlich mit der CDU los? Das fragen sich viele auf Bundesebene, und fragte sich in Bezug auf die inzwischen beschlossene Umbenennung der Heinrich-von-Treitschke-Straße in Steglitz-Zehlendorf jüngst noch mal Checkpoint-Leser Christian Hoffmann. Der ist Anwohner und wollte mit den Christdemokraten ins Gespräch kommen bezüglich ihrer seltsam anmutenden Kampagne gegen die Umbenennung im Nachbarbezirk.
Mitte Januar, schrieb uns Herr Hoffmann, sei er zufällig an einem CDU-Wahlkampfstand für Jan-Marco Luczak in Tempelhof-Schöneberg vorbeigekommen und habe sich dort mit einem Wahlkämpfer unterhalten. Nach späterer Recherche glaubt er: Es war der Vorsitzende eines wichtigen Minderheitenverbands innerhalb der Berliner CDU. Das Gespräch habe ihn „fassungslos“ zurückgelassen, schrieb er dem Checkpoint; er habe sich ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus erhofft. „Getroffen bin ich auf die Mitglieder einer Partei, die für ,Bildung‘ stehen, aber Heinrich von Treitschke nicht kennen wollen, und für die der Einsatz gegen Antisemitismus nur opportun zu sein scheint, wenn sich dieser beim politischen Gegner manifestiert.“
Aber was genau machte unseren Leser so fassungslos? Unter anderem die erste Frage des CDU-Mannes, ob er Karl Marx für einen Antisemiten halte. Unser Leser berichtet, er habe zurückgefragt, ob die Debatte wirklich auf eine Art parteipolitisches „Tu quoque“ (Du aber auch!) hinauslaufen solle. Dann habe sein Gesprächspartner gesagt, er sei auch schon gegen die Umbenennung der „Mohrenstraße“ gewesen. Heinrich von Treitschke („Die Juden sind unser Unglück!“) kenne er überhaupt nicht. Insgesamt rücke ihm die Diskussion um Straßenumbenennungen „zu sehr nach links“.
Auf CP-Anfrage äußerte sich der mutmaßliche Gesprächspartner nicht zu dem Gespräch. Die Kreisgeschäftsstelle gab dafür an, es gehöre für die CDU zur „politischen DNA, dass wir jeglicher Form des Antisemitismus klar entgegentreten“. Und weiter: „Heinrich von Treitschke war ein Antisemit. Niemand würde heute eine Straße nach dem vor etwa 130 Jahren verstorbenen Berliner Historiker benennen.“ Zur Umbenennung gebe es eine lebhafte Diskussion, „insbesondere viele Anwohner“ wendeten sich dagegen.
Nachdem die Steglitz-Zehlendorfer CDU sich jahrelang gegen die Umbenennung der Straße gesträubt hatte, stimmte sie vergangene Woche überraschend doch dafür. Künftig soll die Straße nach der Direktorin des jüdischen Blindenheims Betty Katz heißen. Zum Schluss vielleicht noch eine Durchsage: Straßenumbenennungen wegen grobschlächtigen Antisemitismus’ sind kein „linkes“ Thema. Egal, wer sie anstößt.