Berliner Bezirk wird nach drei Jahren tätig: Ermittlungen gegen 21-Jährigen wegen Verstoß gegen die Corona-Regeln

Lichtenberg legt los im Kampf gegen die Pandemie – mit mehrjähriger Verspätung. Statt Verfahren einzustellen, verschickt das Ordnungsamt nun Bußgeldbescheide für Fälle von 2020. Von Lorenz Maroldt.

Berliner Bezirk wird nach drei Jahren tätig: Ermittlungen gegen 21-Jährigen wegen Verstoß gegen die Corona-Regeln
Foto: imago images/Emmanuele Contini

Die folgende Meldung ist selbst für die typischen behäbigen Berliner Behördenverhältnisse außergewöhnlich bizarr. Vor wenigen Tagen bekam ein heute 21-Jähriger Post vom Ordnungsamt Lichtenberg zu einem Vorfall vor drei Jahren. Wir lesen mal auszugsweise rein…

Sehr geehrter Herr (Name der Red. bekannt),

nach meinen Feststellungen sollen Sie folgende Ordnungswidrigkeit begangenen haben.


1) Beim Verlassen der eigenen Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft war der Aufenthalt im öffentlichen Raum im Freien, insbesondere Straßen, Wegen, Plätzen und in Grünanlagen in Berlin nur allein, im Kreis der §2 Absatz 2 InfSchMV genannten Personen oder mit Angehörigen eines weiteren Haushalts gestattet. Es galt eine Personenobergrenze von höchstens fünf zeitgleich anwesenden Personen. Sie haben am Freitag, den 26.03.2021 um 14:30 Uhr in 10317 Berlin, Hauptstraße 4A vorsätzlich dieser Beschränkung zuwidergehandelt, indem Sie sich mit fünf weiteren Personen, mit denen Sie nicht in einem Haushalt leben, draußen aufgehalten haben.

2) Bei Kontakten zu anderen Personen einschließlich aller Zusammenkünfte und Veranstaltungen war im öffentlichen Raum in Berlin ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Sie haben am Freitag, den 26.03.2021 um 14:30 Uhr in 10317 Berlin, Hauptstraße 4A vorsätzlich dieser Beschränkung zuwidergehandelt, indem Sie den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand nicht eingehalten haben.“

Soweit das. Es folgt eine ausufernde Erläuterung aller möglichen verletzten damaligen Corona-Vorschriften (Sie erinnern sich?) und der Hinweis zur Möglichkeit einer Äußerung („Wenn Sie sich nicht äußern, werde ich auf Grund des hier bekannten Sachverhalts entscheiden“).

Die Mutter des Jungen schreibt uns dazu:

Ich bin froh, dass mein Sohn, damals 18-jährig, so gut und psychisch unbeschadet durch die Corona Zeit gekommen ist. Ich bin wütend über den Inhalt dieses Briefes. Mein Sohn soll nach drei Jahren wegen einer Ordnungswidrigkeit angehört werden, die aus heutiger Sicht unverständlich erscheint. Es scheint, als hätte das Bezirksamt ausreichend Kapazitäten, um sich um derlei Sachverhältnisse zu kümmern. Vor kurzem ist mein Sohn ausgezogen. Einen Termin zur Ummeldung für die neue Wohnung beim Bürgeramt bekommt er nicht. Somit begeht er erneut eine Ordnungswidrigkeit. Wie unverhältnismäßig die Bürokratie doch ist…“

Man muss der Politik für ihren damaligen Regulierungswahn nicht einmal einen Vorwurf machen, um festzustellen, dass die Verfolgung solch minimaler Verstöße von Jugendlichen aus dieser völlig anderen Zeit heute, also drei Jahre später, durch die Berliner Behörden in jeder Hinsicht absolut irre ist. Solche sinnlosen Verfahren gehören sofort eingestellt – und sei es offiziell durch eine Amnestie.