Ohne Corona-Abstand gegen Rassismus

Die Massenkundgebung in Berlin zu „Black Lives Matter“ war für viele begeisternd. In Covid-19-Zeiten müssen wir Rassismus aber anders bekämpfen. Von Lorenz Maroldt

Ohne Corona-Abstand gegen Rassismus
Foto: Britta Pedersen/dpa

Rassismus ist eine Pandemie, die Millionen Menschen ein Leben lang begleitet und der viele zum Opfer fallen, Jahr für Jahr. Aber anders als bei Infektionskrankheiten steht der Verursacher fest – und jeder, der sich davon hat anstecken lassen, ob aus Fahrlässigkeit, Dummheit oder Niedertracht, ist schuldig an der Weiterverbreitung. Und noch etwas ist anders, diametral anders: Rassismus wird nicht durch Abstand bekämpft wie ein Virus, sondern durch Nähe. Den Verursachern und Verbreitern dieser menschenverachtenden Haltung darf eine Zivilgesellschaft keinen Raum geben, nicht auf der Straße, nicht im Büro, nicht im Laden, nicht im Stadion, nicht in der Familie. Und die von Rassismus Betroffenen brauchen ebenfalls Nähe, schützende Nähe, und das nicht nur symbolisch oder gelegentlich deklamatorisch.

Vor diesem Hintergrund war die Massenkundgebung in Berlin unter dem Motto „Black Lives Matter“ für viele begeisternd – aber auch bedrückend zugleich. Nach dem potenziellen Superspreader-Meeting auf dem Alexanderplatz mit vielen tausend dicht gedrängt stehenden Menschen (viele davon ohne Maske) wirken in Covid-19-Zeiten alle Bemühungen um Abstand (Kitas, Schulen, Läden u.a.) ebenso lächerlich wie die noch bestehenden peniblen Hygienevorschriften. „Lasst uns einen langen Atem beweisen“, twitterte Senatorin Ramona Pop, die sich „überwältigt“ gab. Sie meinte die Menge. Einen Tag später fiel ihr ein: „Alle müssen verantwortlich handeln.“ Ja, alle – sonst könnte vielen der Atem bald ganz fehlen, und zwar sehr konkret. Den Kampf gegen Rassismus und Covid-19 müssen wir jedenfalls anders führen.