Verzögerungen bei Denkmal-Bau: Keine Bewegung bei der Einheitswippe in Berlin
Der Bau des Berliner Denkmals für die deutsche Einheit dauert bereits viele Jahre. Jetzt verzögern die Insolvenz der Stahlbaufirma und daraus entstehende Kosten das Vorhaben weiter. Von Robert Ide.
Vielleicht ist die deutsche Einheit genau das: für immer unfertig. Ein gutes Symbol dafür ist das immer noch nicht gebaute Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlins Stadtmitte. Bei der sogenannten Einheitswippe vor der überflüssigen Stadtschloss-Attrappe bewegt sich seit mehr als einem Jahr gar nichts mehr. Dabei ist die Idee einer großen Wippe, die vom Volk in Schwung gebracht wird, vielleicht aktueller denn je. „Menschen, die sich nicht kennen, finden zusammen und verständigen sich über alle Grenzen, Herkünfte und Meinungen hinweg, etwas in Bewegung zu setzen – das ist der Kern des Denkmals“, sagt Kreativdirektor Johannes Milla im Checkpoint-Gespräch. „Gerade heutzutage braucht es ein verbindendes Denkmal, denn es geht längst nicht mehr nur um die Einheit von Ost und West, sondern von uns allen – und wir kämpfen gerade um die Freiheit in ganz Europa.“
Doch so wichtig scheint das die Bundesregierung nicht zu nehmen. Denn nach Berlin-typischen Verzögerungen und Verteuerungen sowie Deutschland-typischen Lieferproblemen und Bauvorschriften kommt nun ein Problem in der Stahlbaufirma hinzu, die die Wippe konstruiert hat. Inzwischen hat sie Insolvenz angemeldet. Nun soll eine andere Baufirma den Auftrag übernehmen – das kostet aber inzwischen mehr Geld. Nach Checkpoint-Informationen sind von den zunächst geschätzten 10 Millionen und dann veranschlagten 15 Millionen Euro für die Wippe bereits 12 Millionen ausgegeben; nach Informationen aus dem Kulturausschuss des Bundestages fehlen bis zur Vollendung noch knapp vier weitere Millionen. Nicht einfach in Zeiten knapper Kassen.
Wer sich die Baustelle des Denkmals anguckt, sieht tatsächlich Berlins Dauerzustand: das Halbfertige. Die Pfahlgründung ist abgeschlossen, auch eine Vertiefung für die Stahlwippe wurde ausgehoben, die Rampen stehen bereit. Die zuständige Behörde, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, hatte mit Milla & Partner einen Generalübernehmervertrag geschlossen. Diese hatte die Stahlfirma beauftragt, was aber in gegenseitigen Vorwürfen endete. „Es ist schon beschämend, dass das Projekt in völliger Stagnation verharrt ist“, sagt Milla.
So wird der Bau des Denkmals selbst ein Denkmal für den Zustand der deutschen Einheit. Vom Bundestag bereits 2007 beschlossen, brachten Wettbewerbe, Meinungsverschiedenheiten im Siegerteam über die Konstruktion, Bedenken von Denkmal- und Tierschützern etwa wegen wilder Fledermäuse sowie Finanzierungslücken die Wippe immer wieder neu zum Stehen. Die vorvorletzte Eröffnung war 2019 geplant, die vorletzte 2022, die letzte im vergangenen Jahr, die allerletzte in diesem Oktober. Nun wird es wohl noch ein Jahr dauern. Wenn es überhaupt klappt.
Offiziell zuständig ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die nun die knapp vier Millionen Euro zusätzliche Kosten einwerben müsste. Milla, der selbst seit 13 Jahren mit dem unvollendeten Projekt betraut ist, gibt die Hoffnung nicht auf. „Frau Roth ist politisch am Zug“, sagt der verhinderte Denkmalerrichter. Keiner weiß so gut wie er: Eine Wippe bewegt sich nicht, wenn niemand einen Anstoß gibt.