Zum Häuserkampf: Der klappernde Mietendeckel
Berlin ruft vielleicht den „Klimanotstand“ aus (CP von gestern), aber nicht nur die Erderwärmung beschäftigt Berlin: Zu spüren ist auch eine Erhitzung des gesellschaftlichen Klimas – und der Mietendeckel bringt den Topf zum Überkochen. Mieter gegen Vermieter, gut gegen böse, dafür oder dagegen – dazwischen gibt’s nichts mehr.
Die Vermieterverbände haben vorgeglüht. Anstatt sich Spekulanten, Tricksern und Wucherern entgegenzustellen, sind sie ihren Kunden, den Mietern, in den Rücken gefallen. Das Ergebnis dieses Verbandsversagens: Es wird kaum noch differenziert, aus dem Eigentümer ist ein Feindbild geworden.
Die regierende Politik nahm das gerne auf. „Wir holen uns die Stadt zurück“, lautet Berlins Leitbild unter Rot-Rot-Grün – bei einem Mietwohnungsanteil von 85 Prozent ein billiger Durchlauferhitzer. Dabei haben SPD und Linke mit ihrer Privatisierungspolitik in den Nullerjahren zur angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt maßgeblich beigetragen. Vor allem für die Linke ist der Wohnungskampf Teil einer Trauma-Therapie: Am Ende ihrer ersten Regierungsbeteiligung fühlten sich die Stammwähler, unmittelbar betroffen von der Austeritätspolitik, von Rot-Rot verraten.
Mit Heilsversprechen und symbolischen „Rückeroberungen“ erweckt heute die Koalition visionäre Erwartungen, die an der Wirklichkeit scheitern werden. Und auch die Opposition dreht die Flamme noch höher: Sie raunt von einer Wende zum Sozialismus. Doch von Planwirtschaft ist die Koalition so weit entfernt wie der Hohenzollern-Nachwuchs vom Wiedereinzug ins Schloss.
Maßlosigkeit hat von der Stadt Besitz ergriffen, beim Abkassieren der Mieter wie beim Servieren politischer Wunderrezepte. Es zählt die Übertreibung, der Superlativ. Von „Mietenwahnsinn“ spricht die Koalition, obwohl es „Angebotsmietenwahnsinn“ heißen müsste – raketengleich in die Höhe geschossen sind nicht die Bestandsmieten, sondern die Neuvermietungspreise, weil die Stadt voller wird und der Wohnungsmarkt mangels ausreichenden Neubaus leerer.
Von „Rückkaufwahnsinn“ sprechen dagegen die Kritiker der Koalition – und sehen sich bestätigt durch den neuesten Deal: Der Senat feiert sich für die Übernahme von 6000 Wohnungen des luxemburgischen Unternehmens Ado Properties durch die landeseigene Gewobag, der Preis: 920 Millionen Euro. Der Regiermeister freut sich: „Für das Land Berlin ein Gewinn.“ Gewonnen hat aber vor allem Ado Properties: Erst vor fünf Jahren hatte die Immo-Gesellschaft das Paket für gerade mal 375 Millionen Euro gekauft. So befeuert die Koalition den Börsenwert genau jener Unternehmen, die sie zu bekämpfen vorgibt.
Zu den Widersprüchen, von Parolen übertönt, klappert der Mietendeckel, bereits demoliert durch seine Erfinder wegen unhaltbarer Versprechen, ungeklärter Rechtsfragen, ungelöster Administration. Die Enttäuschung wird jene am stärksten treffen, die eher zurückhaltend sind; die anderen werden sagen: Wir haben es wenigsten versucht. So erhitzt sich Berlin weiter. Aber eine Politik, dieGefühle aufgreift und sie in Stimmung verwandelt, handelt populistisch. Und das bedeutet: verantwortungslos. Höchste Zeit, dass sich alle etwas abkühlen.