Linke Aktivisten machen gegen die Obdachlosenzählung mobil

Am Mittwoch sollen die Obdachlosen der Stadt gezählt werden. Doch die linke Szene hat für die knapp 4000 Freiwilligen andere Pläne. Von Julius Betschka

Linke Aktivisten machen gegen die Obdachlosenzählung mobil
Foto: Paul Zinken/dpa

Am Mittwoch ist Zähltag. 3725 Freiwillige werden durch die Stadt ziehen und Obdachlose erfassen. Organisiert hat diese „Nacht der Solidarität“ Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). Hilfsangebote sollen künftig besser an die Bedürfnisse der Wohnungslosen und ihre wachsende Zahl angepasst werden.

Die „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“ kritisiert die Aktion jetzt scharf. Sie schreibt: „Tiere werden gezählt, Menschen muss geholfen werden.“ Aus der Sicht von Wohnungslosen sei die Zählung bedrohlich. Es sei würdelos, gezählt zu werden und ein Nutzen nicht erkennbar. Außerdem fürchten sie, dass verschiedene Gruppen obdachloser Menschen gegeneinander ausgespielt würden. Sie rufen deshalb am Mittwoch zu einer Kundgebung vor dem Roten Rathaus auf.

Auf Checkpoint-Anfrage reagiert Sozialsenatorin Breitenbach: „Wir brauchen endlich verlässliche Zahlen, wie viele Menschen in Berlin auf der Straße leben“, erklärt sie. Mehr als 600 Teams von Freiwilligen seien unterwegs, viele der Teamleiter arbeiteten professionell in der Wohnungslosenhilfe. Grundsätzlich gelte, dass nur Obdachlose auf der Straße gezählt würden. „Wir suchen sie nicht in ihren Verstecken, nicht in leerstehenden Gebäuden und nicht in Kellern. Wir respektieren ihre Privatsphäre.“ Die Befragung erfolge freiwillig. Breitenbach weiter: „Das ist ein beeindruckendes Bespiel dafür, wie solidarisch die Stadtgesellschaft sich zu obdachlosen Menschen verhält.“

Die ganz linke Szene hat längst andere Pläne als die Linken-Politikerin. Der alternative Kiezladen Friedel54 ruft auf Facebook etwa dazu auf, mit den fast 4000 Freiwilligen allerlei zu veranstalten. Als Anregung wird die Aktion eines Künstlerkollektivs genannt, das im vergangenen Winter nachts heimlich Bahnhöfe aufgebrochen hatte. Obdachlose sollten darin schlafen können. Dass das für jeden Menschen – erst recht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss – kreuzgefährlich ist? Geschenkt. Alternativ könnten die Freiwilligen auch Häuser besetzen, schlägt jemand vor, um Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu organisieren. Das sei wirkliche Solidarität, schreibt er. Oder komplette Selbstüberschätzung.