Sänger André Herzberg ist zurück in „Pankow“
Er ist Berliner, er ist Ostdeutscher, er ist Jude, er ist Schriftsteller – vor allem aber ist André Herzberg ein mitreißender Sänger. Mit seiner Band „Pankow“ machte er in der DDR mit verbotenen Liedern Furore, nach der Einheit wurde es lange ruhig um ihn, die Band brach wegen eines Stasi-Falls auseinander. Ab heute geht der 69-Jährige, der wieder in Pankow wohnt, mit „Pankow“ auf Abschiedstournee. Ich habe mit ihm über das Leben im Osten, den Absturz als Star sowie den Wandel Berlins geredet. Lesen wir mal kurz rein:
Herr Herzberg, in der DDR waren Sie ein Star, danach sind Sie ins Nichts gefallen. Nun geht’s auf Abschiedstour. Ist das auch ein Abschied von der DDR?
Die DDR wird man nie ganz los. Das Polizeigebäude am S-Bahnhof Pankow ist dasselbe wie damals, nur der ABV mit seinem Hund geht nicht mehr rum. Vergangenheit ist schön und schmerzlich. Aber es tut gut, sich umzudrehen und weiterzugehen. Mit „Pankow“ verabschieden wir uns auf unsere Weise. Ich will nicht unter der Erde liegen, und dann halten falsche Freunde eine Grabrede, bei der man aus der Erde springen will, um ihnen eine zu scheuern. Wenn ich etwas von meinem stalinistischen Vater gelernt habe, dann das: Er schrieb sich seine Grabrede selber.
Nach vielen Jahren in Pankow lebt André Herzberg wieder in Pankow. Was macht den Bezirk aus?
Berlin ist für mich eine Anhäufung von vielen Dörfern. Das Dorf Pankow ist meistens eine Baustelle, andauernd stößt man an Baken. Es ist gut, dass sich viel verändert und hier viele Kinder sind – aber die Provinzialität bleibt. Es gibt noch immer den Wochenmarkt mit seinen komischen Klamottenständen, da laufen noch immer die wütenden alten Männer rüber. Übrigens, vorm Rathaus Schöneberg, wo Kennedy einst die Welt nach Berlin rief, sieht der Wochenmarkt genauso aus. Vom Alexanderplatz will ich gar nicht reden.
Doch, gerne.
Berlin ist immer noch so wie in Alfred Döblins großartigen Roman. In der Verfilmung steht der alte George auf dem Alex und hält in seiner Hand ein Stehaufmännchen: Sehen Sie, meine Damen und Herren, er steht immer wieder auf! So sind die Berliner: ein bisschen traurig und melancholisch – aber immer mit dem Trotz, weiterzumachen. Ruppig und doch liebevoll. Ein bisschen wie unsere Musik.
Musikalisch sind Sie noch immer viel in Ostdeutschland unterwegs. Merken Sie über die Jahre eine Veränderung beim Publikum?
Viele Menschen haben Angst. Demokratie ist unheimlich mühselig. Es macht keinen Spaß, mit jedem Idioten über jedes Gesetz zu diskutieren. Wer wünscht sich die Welt nicht einfach? Freiheit ist für viele Menschen nicht erstrebenswert. Dafür können sie sich nichts kaufen. Sie wollen ihre Scholle und ihre Ruhe haben.
Warum André Herzberg als Musiker noch keine Ruhe geben will, wie er sein erstes Konzert in West-Berlin erlebte und warum er einen Suizidversuch unternahm, erzählt er im ganzen Interview – nachzulesen hier.