Warum die Mieten auch bei einer Vergesellschaftung nicht sinken werden
Reines Bilanzgeschäft oder Entlastung des Wohnungsmarkts? Mögliche Folgen von Enteignungen gibt es viele. Immobilienexperte Harald Simons erläutert sie im Gespräch. Von Daniel Böldt

Die Mieten in Berlin werden voraussichtlich auch bei einer Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen nicht flächendeckend sinken – das musste nun auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zugeben (T+) und sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, beim Werben um den Entscheid Wähler:innen getäuscht zu haben. Aber warum wäre das Mietensenken eigentlich so schwierig? Der Checkpoint hat nachgefragt bei Harald Simons, Wirtschaftsprofessor und Vorstand des Forschungsinstituts empirica ag.
Herr Simons, Sie haben in einer Anhörung der Enteignungskommission gesagt, dass durch eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen die Mieten nicht gesenkt werden könnten. Warum eigentlich nicht? Kann der Eigentümer nicht die Mieten bestimmen?
Das kann er. Aber der Unterhalt der Wohnungen, die Instandsetzung kostet ja Geld, das der Eigentümer einnehmen muss. Außerdem müsste bei einer Vergesellschaftung der Kaufpreis finanziert werden. Die genaue Höhe würde am Ende vermutlich ein Gericht festlegen. Aber alles in allem sehe ich hier keinen Spielraum für große Mietsenkungen.
Aber das Land Berlin stünde – anders als zum Beispiel die Deutsche Wohnen – nicht unter dem Druck, eine Dividende an Aktionäre ausschütten zu müssen. Wirkt das nicht entlastend auf die Mieten?
Dass die Gewinne der Deutsche Wohnen aus den Mieten stammen, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Gucken Sie auf die Durchschnittsmieten. Die landeseigenen Wohnungsgesellschaften, die ja nicht auf Gewinne aus sind, liegen aktuell bei rund 6,30 Euro pro Quadratmeter. Bei der Deutschen Wohnen ist man bei rund 7,10 Euro je Quadratmeter. Die Gewinne der privaten Wohnungsunternehmen kommen vor allem durch die steigenden Immobilienpreise, das sind Bilanzgewinne.
Eine Vergesellschaftung ist also nicht sinnvoll, um den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten?
Das habe ich nicht gesagt. Aber ich würde mir schon wünschen, dass vorher geklärt ist, wie genau Berlin eigentlich mit diesem Wohnungsportfolio umgehen will. Wie hoch sollen die Mieten sein? An wen soll vermietet werden? Welche Investitionen sind geplant – im Bestand und im Neubau. Und geht das alles auf? Kurz: Mir fehlt ein Businessplan – oder nehmen Sie einen anderen Begriff, das ist mir egal. Berlin steht möglicherweise vor der größten Investition seiner Geschichte und selbst die wichtigsten Eckdaten sind unklar. Das ist inakzeptabel.